Nürnberg. Wieder ist ein Kind verhungert – und das obwohl sich das Jugenamt um die Familie kümmerte. Das dreijährige Mädchen starb in Mittelfranken, weil es von seinen Etern vernachlässigt wurde. Gegen die Eltern wurde Haftbefehl wegen Totschlags erlassen.
Eine Dreijährige ist in Mittelfranken verhungert, obwohl ihre Familie dem Jugendamt wohlbekannt war. Das kleine Kind starb an Unter- und Mangelernährung, wie die Polizei am Dienstag berichtete. Gegen die Eltern aus Thalmässing im Landkreis Roth erging Haftbefehl wegen Totschlags durch Unterlassen. Sie hatten am Samstag den Rettungsdienst gerufen, so dass das Mädchen in eine Nürnberger Klinik eingeliefert wurde. Dort starb es Montagmorgen.
Der 29-jährige Vater wurde am Montag festgenommen. Die Mutter sei wegen einer Erkrankung operiert worden und liege auf der Intensivstation, sagte Polizeisprecher Peter Grimm. Die 26-Jährige werde dort von Beamten bewacht. Ihr werde später der Haftbefehl eröffnet. Die Erkrankung der Mutter habe aber nichts mit dem Tod des Mädchens zu tun, erklärte der Sprecher.
Die Obduktion hat laut Polizei ergeben, dass das Mädchen an einer Mangel- beziehungsweise Unterernährung gestorben ist. Es hatte keine Anzeichen für Misshandlungen. Ein vierjähriger Bruder des verhungerten Mädchens sei derzeit bei den Großeltern. Ihm sei gesagt worden, der Junge sei „pumperlgesund“, berichtete Grimm.
Familie galt laut Jugendamt als stabilisiert
Bei der Familie waren über Jahre hinweg Mitarbeiter des Jugendamts tätig. Die Frau hat weitere Kinder aus einer früheren Beziehung, um die sich das Jugendamt gekümmert hatte. Als sie zum Jahreswechsel 2004/05 mit ihrem neuen Partner in den Landkreis zog, sei das Amt informiert worden, sagte Jugendamtsleiter Manfred Korth.
„Zwei Jahre lang ist zweimal die Woche jemand zu der Familie gegangen“, sagte Korth. Mehrere Fachleute seien der Ansicht gewesen, dass keinerlei Kindeswohlgefährdung vorliege. „Die Familie hatte sich stabilisiert.“ Deswegen wurden die Besuche reduziert. „Der letzte Kontakt war im November 2008.“ Seither habe man keinerlei Hinweise auf Probleme bekommen. „Sonst wären wir sofort dagewesen“, beteuerte Korth. „Hätten wir irgendeine Ahnung gehabt.“
Auch am vierjährigen Bruder, der bereits im Kindergarten war, habe man keine Anzeichen für Probleme bemerkt, sagte der Jugendamtsleiter. Dass die Dreijährige nun verhungerte, kann sich Korth nur damit erklären, dass es im vergangenen halben Jahr eine massive Veränderung in der Familie gegeben haben müsse. Ob sie mit der Erkrankung der Mutter zusammenhing, konnte er nicht sagen: „Das ist eine ganz tragische Geschichte.“
Immer wieder sterben Kinder trotz Jugendamt-Einsatz
In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Todesfällen von Kindern gekommen, deren Familien unter Aufsicht des Jugendamtes standen. Erst im April soll ein Mann in Lahnstein seine eineinhalbjährige Tochter zu Tode misshandelt haben. Gegen das Jugendamt wurden Vorwürfe laut. Der Behörde seien frühere Fälle von Misshandlungen durch den Mann bekannt gewesen.
Im März war in Hamburg die erst neun Monate alte Lara-Mia gestorben. Sie war unterernährt. Die Sozialbehörden der Hansestadt räumten später Fehler ein. (AP)