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„Er ist mental am Ende“

„Er ist mental am Ende“

Pretoria. 

Wer ist der wahre Oscar Pistorius? Ein gebrochener Sportstar, der den tragischen Tod seiner Freundin Reeva Steenkamp bitterlich bereut? Oder ein gewalttätiger Lügner, der sich der Verantwortung für seine vor mehr als drei Jahren begangene Tat möglichst ungeschoren zu entziehen sucht? Pistorius wurde Ende 2015 in zweiter Instanz wegen Totschlags verurteilt. Nun begann die Verhandlung um das Strafmaß. Darüber muss Richterin Thokozile Masipa in den nächsten Tagen befinden. Nach eigener Aussage hat Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp damals mit vier Schüssen durch eine geschlossene Tür getötet, weil er sie irrtümlich für einen Einbrecher hielt.

Psychologe und Gutachter Jonathan Scholtz sprach von „drei Oscar Pistorius’“, die bei seinen Gesprächen mit dem gefallenen Sportler zum Vorschein gekommen seien.

Der erste „Oscar“ sei der selbstbewusste Ausnahmeathlet, der mit seinen Prothesen zu einem weltweit gefeierten Idol aufgestiegen war. Der Zweite der verwundbare Behinderte, der ohne seine künstlichen Gehilfen „verletzlich und außergewöhnlich unsicher“ sei. In jüngster Zeit sei ihm außerdem ein dritter „Oscar“ begegnet, fügte der Zeuge der Verteidigung hinzu: Ein „gebrochener Mensch“, der unter schweren Depressionen und posttraumatischem Belastungssyndrom leide. „Er ist mental am Ende.“ Diese wohlwollende Beschreibung suchte Staatsanwalt Gerrie Nel im Kreuzverhör als bloße Strategie der Verteidigung zu entlarven.

Für Nel ist Pistorius ein Lügner, der noch immer nicht die volle Verantwortung für seine Tat übernommen habe. Das werde unter anderem dadurch deutlich, dass er die Abgabe der Schüsse manchmal als bloßes Versehen, manchmal als Selbstverteidigung ausgegeben habe. Noch immer kursieren in Südafrika außerdem Berichte, wonach Pistorius seine Freundin damals absichtlich im Streit erschossen habe. Pistorius selbst schwieg am ersten Verhandlungstag.