In einem der ersten großen Prozesse gegen Internet-Betrüger wurde der Essener Karwan M. zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ihm wird Computer-Betrug, Anstiftung zur Körperverletzung und Nötigung vorgeworfen. Der 23-Jährige will gegen das Urteil Revision einlegen.
Augsburg.
Nein, nun kann man ihn nicht mehr „gut gelaunt auf Weekend-Session-Partys“ sehen, und er wird auch nicht mehr mit seinem BMW-6er-Cabrio durch die Gegend kurven können. Vorbei ist die großmäulige Internet-Prahlerei. Ein Schwindel, so wie die Online-Shops, die er betrieb. Karwan M., der angeblich so erfolgreiche Unternehmer aus Essen, sitzt stattdessen im Gefängnis.
In einem der ersten großen Prozesse gegen Internet-Betrüger in Deutschland wurde der 23-Jährige gestern vor dem Landgericht Augsburg zu sieben Jahren Haft wegen Computer-Betrugs, Anstiftung zur Körperverletzung und Nötigung verurteilt.
Karwan M. gilt als Kopf der sogenannten Fakeshop-Bande, die die „Geiz-ist-geil“-Mentalität von Kunden zu nutzen wusste, ihnen von Laptops über Haushaltsgeräte und Goldbarren alles Erdenkliche günstig anbot. Verkauft wurde gegen Vorkasse, geliefert wurde nie. Über 1,1 Millionen Euro soll die Bande so abgeschöpft, mehr als 1600 Menschen betrogen haben.
Zweieinhalb Jahre war ihnen das Landeskriminalamt Bayern auf der Spur, hörten Fahnder ihre Telefone ab. Staatsanwalt Straßer geht gar davon aus, dass der Schaden eher zehn Millionen Euro beträgt.
Karwan M. hört regungslos dem Staatsanwalt zu
Karwan M. ist an diesem Tag des Urteils alles andere als gut gelaunt. Regungslos hört er dem Staatsanwalt zu, wie der plädiert, genauso regungslos nimmt er das Urteil entgegen. Ein relativ kleiner Typ in Jeans und kariertem Kurzarmhemd, mit etwas moppeliger Statur. Während der 15 Verhandlungstage hat er geschwiegen, das Gericht allenfalls mit „Beweisanträgen zermürbt“, wie Richter Rudolf Weigell es beschreibt.
Also bleibt diese von Rechtschreibfehlern strotzende Selbstdarstellung im Internet, ihn einzuschätzen. Ein Deutsch-Iraker, der als Kind nach Essen kam, der damit angibt, dass er sich schon vor dem Schulabschluss selbstständig gemacht hat und sich vieles leisten kann: Partys, Reisen, schicke Autos. Als Selfmademan, coolen Aufsteiger sieht er sich.
Online machte er große Kasse
Online tatsächlich schien vieles möglich. Von 2008 bis 2011 jedenfalls machte Karwan M. dort groß Kasse. Mit einem Netz von Helfern zockte er arbeitsteilig und hochprofessionell ab. Die einen pflegten die unzähligen Shops mit so kruden Namen wie „sparshopchen24.de oder „Elektro-Geizhals“, die anderen ließ er Konten einrichten, über die das Geld floss. Er verschickter 100 000 E-Mails an Postbank-Kunden, narrte sie, indem er ihnen ihre Zugangsdaten entlockte. Über 200.000 Euro mindestens soll er so von ihren Konten transferiert haben.
Irgendwann jedoch kommen ihm Mitarbeiter des Verbraucherschutz-Forums autosec4u auf die Schliche und, alarmiert durch diese, auch die Fahnder des Landeskriminalamtes Bayern. „Anstatt da aufzuhören, zu begreifen, dass er den Bogen überspannt hat“, sagt Richter Weigell, „setzt er nun alle Hebel in Bewegung, diesen Forum-Betreiber ausfindig zu machen“.
Karwan M. schüchtert diesen per Mail ein, droht „ihm das Leben zur Hölle zu machen. Ihn von der libanesischen Mafia krankenhausreif schlagen zu lassen“. Auch einem seiner Helfer, der zu diesem Zeitpunkt in Essen vor Gericht steht, droht er, „er werde tot sein, wenn er ihn, Karwan M., im Prozess belaste“. Laut Urteil soll Karwan M. dafür gesorgt haben, dass dieser Warnung durch Schläge ins Gesicht Nachdruck verliehen wurde.
Früh mit Gesetz in Konflikt geraten
Karwan M. beschreibt sich im Internet wie das einer macht, der unbedingt wer sein möchte. Realität ist aber auch, dass Karwan M. schon früh mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Markenpiraterie. Computerbetrug. Als er 2009 verurteilt wird, verhängt der Richter nur noch mit Mühe eine Bewährungsstrafe. Es ist ein letzter Versuch, dem damals 20-Jährigen eine Chance zu geben. Wenige Wochen später ist er wieder online aktiv.
Der Augsburger Richter Weigell geht davon aus, dass Karwan M. eine „grundsätzlich rechtsfeindliche Einstellung“ hat. Dieser denke, „mir kann keiner was!“. Und der Richter hat noch nicht einmal zu Ende gesprochen, da ruft Karwan M. in den Saal, er möchte etwas zu Protokoll geben. Er werde gegen das Urteil Revision einlegen. Sagt es und steht auf.