Ein Politiker erntet einen Shitstorm, weil er sich über Martinshorn bei Nacht aufregt. Wieso Einsatzkräfte gar nicht anders können.
Chemnitz.
Nachts ist ein Blaulicht doch weithin zu sehen, meint ein Chemnitzer Lokalpolitiker, und regt sich auf Facebook auf, dass die „Arschkrampen von der Feuerwehr kilometerlang durch menschenleere Straße fahren, damit auch ja alle geweckt werden“.
So „unverschämt“, wie er das wegen seines gestörten Schlafes fand, beurteilen nun viele Menschen sein Posting. Der Mann hat inzwischen selbst eingesehen, dass er im Unrecht war: Die Feuerwehr muss auch nachts das Martinshorn einsetzen, wenn sie eilig auf dem Weg zu einem Einsatz ist.
„Das wusste ich nicht“, schreibt Christoph Gaitzsch nun in einem neuen Beitrag, nachdem er den ersten gelöscht hat. Der Chemnitzer hat Hunderte Kommentare und mehr als 100 persönliche Zuschriften bekommen, nachdem die „Bild“ über seine Empörung berichtet hatte. Die FDP hat den Gynäkologen sogar indirekt aufgefordert, die Partei zu verlassen. Im November hatte Gaitzsch bei einer Wahl zum Direktkandidaten der FDP für den Bundestag den Kürzeren gezogen.
„Motive der Feuermänner falsch eingeschätzt“
Gaitzsch sieht jetzt ein, dass er „die Motive der Feuerwehrmänner falsch einschätzte“ und bittet um Entschuldigung. Die selbst im Einsatz für die Allgemeinheit um ihren Schlaf gebrachten Feuerwehrleute wollen nicht, wie von ihm unterstellt, auch alle Welt teilhaben lassen.
Das Thema beschäftigt ihn aber weiter. Jetzt will er seinen Beitrag als Anregung für eine Neuregelung verstanden wissen. Sein „eigentliches Ziel“ sei es gewesen, das Gespräch darauf zu bringen, ob es nicht doch auch leiser geht. Und immer wieder stellen auch Menschen, die betonen, hohen Respekt vor dem Einsatz der Feuerwehren zu haben, die Frage, ob der „Krach“ in der Nacht nötig ist.
Ist er bei der derzeitigen Gesetzeslage.
Keine Sonderrechte im Verkehr ohne Martinshorn
Nach der Straßenverkehrsordnung können die Feuerwehrleute zur eigenen Sicherheit nicht anders. Die regelt nämlich in Paragraf 38: Wenn Einsatzfahrzeuge Recht auf freie Bahn haben wollen, müssen sie Blaulicht und Martinshorn einsetzen.
Wer nur Blaulicht einsetzt, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, um Wegerechte geltend zu machen, ist also bei einem Unfall der Dumme. Einsatzkräfte, die aus Rücksicht auf schlafende Bürger nur mit Blaulicht unterwegs sind, gehen ein persönliches Risiko ein. Hauptberufliche Einsatzkräfte lassen sich darauf tendenziell noch eher ein als Freiwillige, die dann auch oft noch mit einem großen, weniger vertrauten Fahrzeug unterwegs sind.
Ohne Martinshorn in Kreuzung: Polizist zahlt Schaden
Das Verwaltungsgericht Münster hat im vergangenen Jahr einen Polizisten dazu verurteilt, nach einem Unfall privat für 19.000 Euro Schaden am Streifenwagen aufzukommen. Er hatte sich nachts einer Kreuzung mit roter Ampel ohne Heulton genähert und auch das Blaulicht erst kurz zuvor eingeschaltet. Grob fahrlässig, so das Gericht in dem Urteil vom September 2016 (4 K 1534/15).
Die Sonderrechte gelten ohnehin nur, wenn höchste Eile geboten ist. Dann bedeuten Blaulicht und Martinshorn für den Verkehr: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“. Ein Verstoß kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen. In Chemnitz ging es um einen Brand in einem Wohngebiet in einer Lagerhalle mit Gasflaschen. Laien können nicht beurteilen, ob es nötig war, dass auch 45 Minuten nach den ersten Einsatzkräften weitere Feuerwehrfahrzeuge mit Sonderrechten anrückten.
Eingebaute Vorfahrt hat ein Einsatzfahrzeug aber auch mit der Kombination von Blaulicht und Martinshorn nicht. Bei einem Zusammenstoß mit einem Fahrzeug, das „Grün“ hatte, bekommt in der Regel der Fahrer des Einsatzfahrzeugs die Hauptschuld. (law)