- Klimaforscher haben anhand von Chroniken herausgefunden, dass es 1540 zur Naturkatastrophe kam
- In Mitteleuropa gab es elf Monate lang kaum Niederschlag
- Dreimal so viele Tage wie sonst knackten die 30-Grad-Marke
Berlin.
„So heiß war es doch noch nie so lange!“ Dieser Satz fällt in den letzten Tagen ziemlich oft, wenn über das Wetter gesprochen wird. Klar, den Extremsommer 2003 haben wir alle noch in Erinnerung. Aber rein subjektiv fühlt sich die Hitzewelle im Jahr 2018 trotzdem so an, als würde sie alle Rekorde brechen.
Das stimmt natürlich nicht: Klimaforscher haben herausgefunden, dass es im Jahr 1540 in Europa aufgrund einer extremen Hitzeperiode zu einer regelrechten Naturkatastrophe kam. Von den Ergebnissen einer internationalen Forschergruppe um den Wissenschaftler Oliver Wetter (Universität Bern) schreibt nun SPON.de.
Elf Monate kaum Niederschlag
Eigentlich hatte das 16. Jahrhundert günstig begonnen: Milde Jahrzehnte sorgten mit viel Niederschlag für gute Ernten, die Bevölkerungszahlen stiegen in ganz Europa an. Doch im Januar 1540 sollte es kaum Regen geben – und auch die darauffolgenden zehn Monate nicht. Eine „Megadürre“, wie die Forscher sie bezeichnen, brach an.
Um das Klima des Jahres 1540 zu rekonstruieren, wertete das Forscherteam über 300 Chroniken aus. Schriftquellen von Bauern, Schleusenarbeitern oder Kirchen kündeten vom Ausmaß der Hitzewelle. Normalerweise sind auch Jahresringe von Bäumen wichtige Indikatoren bei der Klimaberechnung, doch bei extremer Hitze wachsen sie nur dürftig.
Brotpreise explodierten
Zunächst freute man sich über den trockenen Beginn des Jahres: Zum Sonnenschein gesellten sich klare Nächte, dazu gab es keine lästigen Behinderungen durch Schnee und Eis. Aus den Notizen eines Winzers aus dem Elsass geht hervor, dass es in der Region selbst im März nur an drei Tagen geregnet habe. In Zürich soll es sogar zwischen Februar und Ende September keinen kompletten Regentag gegeben haben.
Die Dürre sorgte dafür, dass der Boden austrocknete. Die Risse seien so tief und breit gewesen, dass man seine Beine darin baumeln lassen konnte, wie ein Schriftstück verrät. Was diese Trockenheit für die Landwirtschaft bedeutete, liegt auf der Hand. Die Preise für Brot und Getreide stiegen ins Astronomische. Unzählige Tiere starben an Durst oder Hitzeschlägen. Menschen, die im Freien arbeiteten, kollabierten reihenweise. 1540 knackten dreimal so viele Tage wie üblich die 30 Grad-Marke.
Verheerende Brände
Ausgetrocknete Flüsse, Brunnen und Quellen sorgten für eine dramatische Trinkwasserknappheit. Aus Notizen von Zeitzeugen geht hervor, dass man sogar zu Fuß durch Elbe, Rhein und Seine laufen konnte. Aufgrund der außergewöhnlichen Temperaturen kam es zu bakterieller Verunreinigung der verbliebenen Wasserquellen, weshalb tausende Menschen an Magen-Darm-Erkrankungen starben.
Auch Brände griffen um sich: Ganze Gemeinden fielen den Flammen zum Opfer. Der Himmel Europas war wochenlang von Rauch verhangen.
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Auch heute wäre die Menschheit für eine solche Hitzewelle nicht gewappnet. Tiere würden massenhaft sterben, der Schiffsverkehr über die Flüsse müsste eingestellt werden, Kühlwasser für Atomkraftwerke könnte bedrohlich knapp werden.
Christian Pfister von der Universität Bern gegenüber SPON.de: „Die Katastrophe von 1540 sollte eine Mahnung sein, was geschehen kann.“ Auf den Extremfall sei niemand vorbereitet. Der Treibhauseffekt erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Zukunft zu ähnlich schlimmen Hitzewellen kommt. (raer)