Eine große Koalition billigte Anfang Dezember in Paris eine Resolution, die das Gewerbe abschaffen will. Doch der Kampf spaltet das Land: Denn die Mehrheit der Franzosen lehnt die Kriminalisierung von Freiern ab. Kritiker warnen gar vor „puritanischer Heuchelei“.
Paris.
Frankreich, das sich in der „Belle Epoque“ noch der blühendsten Bordellkultur der Welt rühmte, sagt der Prostitution den Kampf an. Während die einen auf saftige Strafen für Freier setzen, nehmen die anderen die Prostituierten ins Visier. Stets betonen Politiker und Präfekten, Bürgermeister und Polizisten, dass sie nur Gutes im Schilde führen: Die einen zielen gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei, den anderen geht’s eher um „saubere“ Städte. Doch es ist ein Kampf, der das Land spaltet: Denn die Mehrheit der Franzosen lehnt die Kriminalisierung von Freiern ab. Kritiker warnen gar vor „puritanischer Heuchelei“.
Von Idylle keine Spur
Von Idylle an der Côte d’Azur keine Spur: Schon seit Monaten reagierten die Bewohner der mondänen Seebäder Nizza und Cannes immer gereizter auf die Ausdehnung des Straßenstrichs, der mittlerweile die Stadtzentren erreicht. In Cannes, der Stadt des Filmfestivals, haben sie jetzt die Notbremse gezogen. Kurz vor Jahresende unterschrieb der Bürgermeister einen „Anti-Prostitutionserlass“, der Prostituierte aus dem Stadtbild verbannen soll. Besonders frequentierte Straßen und Stadtviertel sind zwischen 22 Uhr abends und fünf Uhr morgens nun Sperrbezirk.
„Die Zuhälter abzuschrecken und sie an ihrer Arbeit zu hindern, indem die Prostituierten in Polizeigewahrsam genommen werden“, ist für Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi die einzig wirksame Methode, sich von der Geißel Prostitution zu befreien. Etwa 700 Frauen würden mittlerweile in seiner Stadt anschaffen, vier von fünf Prostituierten stammten aus Afrika oder Osteuropa und würden von international operierenden Verbrecherbanden ausgebeutet, sagte er dem Boulevardblatt „Le Parisien“. Seitdem der Erlass in Kraft ist, fährt die Polizei verstärkt Streife und erteilt Platzverweise.
Brave Bürger jubeln
Während die braven Bürger an der Côte d’Azur über so viel Entschlussfreudigkeit in den Rathäusern jubeln, sorgt sich Eric de Montgolfier, Staatsanwalt von Nizza. Der Erlass bedeute nichts anderes, als Staub unter den Teppich zu kehren. „Das wahre Problem ist die Zuhälterei, besonders die in den Hotels“, sagt der Ankläger, in dessen Augen die Prostituierten Opfer sind. Bereits das 2003 erlassene Gesetz über das Verbot der öffentlichen Anmache, empört sich De Montgolfier, habe die Prostituierten zu Feinden erklärt und die Freier zu Heiligen.
Cannes und Nizza sind keine Einzelfälle. Großstädte wie Straßburg, Metz, Avignon und Aix-en-Provence haben zum Teil bereits seit Jahren so genannte „Anti-Prostitutionserlasse“ aufgestellt. Frankreich führt den Kampf gegen die Prostitution auf allen Ebenen – nicht nur in den Kommunen, sondern jetzt auch von der Nationalversammlung aus. Eine große Koalition aus Sozialisten, Kommunisten, Konservativen, Grünen und Rechten billigte Anfang Dezember eine Resolution, die das älteste Gewerbe der Welt abschaffen und zugleich drastische Strafen gegen notorische Freier einführen will. Ihnen drohen künftig bis zu zwei Monaten Gefängnis sowie 3750 Euro Geldbuße. Die Idee: Ohne Freier keine käufliche Liebe.
Die sozialistische Abgeordnete Danielle Bousquet, die den Gesetzentwurf mit dem konservativen Kollegen Guy Geoffrey eingebracht hat, widerspricht dem idyllisch-verklärenden Freudenmädchen-Bild, das durch Figuren wie Irma la Douce verkörpert wird. Für sie ist Prostitution sexuelle Ausbeutung und ein von Verbrecherbanden dominiertes Gewerbe, das nichts anderes sei als moderne Sklaverei und Menschenhandel. „Prostituierte werden stigmatisiert, vergewaltigt, verachtet und erniedrigt“, empört sie sich.
Ins Abseits gedrängt
Kritiker des Gesetzes warnen davor, die Prostitution zu kriminalisieren. Sex-Arbeiterinnen, ohnehin schwächstes Glied der Kette, würden dadurch erst recht ins Abseits gedrängt. Außerdem befürchten sie, dass sich Prostitution nur verlagere. Francis Caballero, Rechtsanwalt und Autor des Buches „Recht auf Sex“, bricht ferner eine Lanze für die männlichen Kunden. „Meistens ist der Freier ein ganz normaler Familienvater und kein perverser Sklavenhalter.“