Die einstmals skandalträchtige Fürstin Gloria von Thurn und Taxis und trug Oberhausen Gedichte vor. Exzentrisch ist nur noch ihre Brillenwahl.
Oberhausen.
Vielleicht weil auf dem Platz vor der Herz-Jesu-Kirche zwar jede Menge Abfalleimer stehen, aber kaum Bänke, müssen die älteren Herrschaften auf ihrem Rollator sitzen. Oder auf dem Mäuerchen. Wer keine Karte erwischt hat für diesen ungewöhnlichen Abend in der Kirche, versucht, wenigstens von draußen etwas vom Glanz zu erhaschen: Gloria von Thurn und Taxis in Oberhausen. Doch was für ein Glanz eigentlich?
Die Fürstin, die hier eine Stunde zu spät, gegen 21 Uhr vorgefahren wird, und den meisten als die eigentlich wahre Lady Gaga bekannt ist, ist eine andere Fürstin. Schon lange frisiert sie sich zwar nicht mehr wie ein aufgeplatztes Polstermöbel, doch Schillern gehört zu ihrem Geschäft. Hier aber ist alles anders.
In einem dunklen knielangen Mantel steigt sie aus dem Wagen, stellt sich im Kirchenfoyer hinter das Ensemble der Weltmusiker „Gregorianika“. Still, ernst, den Kopf demütig gebeugt. Mit lodernden Fackeln zieht die kleine Gruppe durch das Kirchenschiff. Ruhig und mit vor dem Körper gefalteten Händen tritt sie aufs Podium. Gloria von Thurn und Taxis, ganz zurückgenommen, beginnt mit der Lesung über eine als Heilige verehrte Frau: Hildegard von Bingen, Benediktinerin, Dichterin, bedeutendste Universalgelehrte ihrer Zeit. Historischer Stoff, der mit so viel Energie vorgetragen wird, dass die 600 Kirchenbesucher sich kaum zu bewegen trauen. Kein Rascheln, kein Husten.
Der Pfarrer rätselt noch
„Das hätte ich ihr nicht zugetraut“, sagt eine junge Frau in der Kirchenbank zu ihrem Freund. Beide lauschen mit geschlossenen Augen der markanten Stimme der Vorleserin, die ihre Zuhörer um Jahrhunderte zurückwirft: ins Reich des Mittelalters, ins Reich der heilenden Kräuter und der Frömmigkeit.
Pfarrer Peter Fabritz, auch Oberhausens Stadtdechant, strahlt bei seinen Dankesworten zum Abschluss. Wie es kam, dass Gloria von Thurn und Taxis diesen Abend in seiner Kirche so denkwürdig gestaltet hat, ist ihm im Grunde immer noch ein Rätsel. „Vielleicht werde ich es am jüngsten Tag erfahren.“ Nicht er sei auf die Fürstin zugegangen, ach was, sie auf ihn. „Irgendwann habe ich eine Mail erhalten. Am Anfang dachte ich, es sei ein Witz. Aber dann war mir schnell klar, dass es schon seine Richtigkeit hatte, denn es ist ja bekannt, dass die Fürstin eine bekennende Katholikin ist.“
Exzentrisch nur bei der Brillenwahl
In Lebenskrisen habe ihr der Glaube eben immer Kraft gegeben, sagt Gloria von Thurn und Taxis spätabends auf dem Empfang im Vincenzhaus, einem Seniorenheim, in dem die Fürstin übernachten wird. Schließlich musste sie damals, nach dem Tod ihres Mannes, das marode Unternehmen Schloss auf solide Beine stellen. Lang ist es her.
Und Gloria von Thurn und Taxis ist heute alles andere als der Begriff der Krise. Die 55-Jährige, komplett ungeschminkt, nur mit einer extravaganten Brille geschmückt, wirkt so erfrischend natürlich, dass auch die Ordensschwestern verzaubert sind.
Eigentlich wollte Gloria direkt erstmal was essen. Doch dann plaudert sie doch. Erzählt, dass sie aus New York hergekommen sei. Wohl erst noch in den neuen Bundesländern war, von da aus dann Richtung Oberhausen. Normalerweise wird eine Frau wie sie chauffiert. Doch irgendwann habe sie das Steuer übernommen. „Ich hab Gas gegeben, sonst wären wir noch später angekommen“, sagt sie und lacht dieses fast bäuerliche Gloria-Lachen.
Gräfin Bleifuß und Oberhausens Polizeipräsidentin
Und sie kann nachlegen: Dass sie nur hoffen mag, dass ihr keiner Radarfallen in den Weg stellt. Vorsicht! Manchmal bringt sie sich in Teufels Küche – man weiß es von einem Talkshow-Auftritt, als ihr „Der Schwarze schnackselt halt gerne“ entglitt. Und dass sie als Gräfin Bleifuß die Autobahn unsicher machte, hatte auch deshalb ein Geschmäckle, weil ihre Zuhörerin Oberhausens Polizeipräsidentin war.
Aber sie habe viel Humor, sagt die Fürstin, die statt Federn im Haar eine schlichte Kurzhaarfrisur trägt. „Die Exzentrik überlasse ich heute meinen Töchtern“, sagt die so ganz andere Gloria.