Arm gegen Reich, Ost gegen West, Fremdenangst gegen Multikulti – am Montagabend stellte Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ die Frage: „Sprachlos, verständnislos, wütend: Wie gespalten ist Deutschland?“
Zu Gast bei „Hart aber fair“ waren:
Dirk Rossmann: Gründer der Drogeriekette „Rossmann“, hat ein Buch über sein Leben geschrieben ( „…dann bin ich auf den Baum geklettert! Von Aufstieg, Mut und Wandel!“, er sagte: „Der Ton ist rauer geworden, aber die Deutschen sind deswegen nicht fremdenfeindlich. Die vielen Flüchtlinge, die seit 2015 nach Deutschland kamen, haben die Gesellschaft auch an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht.“
Michel Abdollahi: im Iran geborener Schriftsteller und NDR-Journalist. Er sagte: „Der Ton ist mehr als nur rauer geworden, er hat vor allem Bilder bekommen, wie in Chemnitz. Klar ist, dass man die Ängste der Menschen ernst nehmen muss, diese Ängste dürfen aber nicht als Deckmantel für Rassimus missbraucht werden.“
Annette Behnken: evangelische Pastorin, bekannt vom „Wort zum Sonntag“, sie erklärte: „Die Spaltung der Gesellschaft ist noch nicht so dramatisch, aber wenn weiter mit der Angst Politik gemacht wird, ist es vielleicht irgendwann zu spät.“
Antje Hermenau: ehemalige Grüne aus Sachsen, sie fand: „Immer mit dem Finger auf uns Menschen im Osten zu zeigen, bringt uns nicht weiter. Die Menschen haben den Hals voll, weil sie das Gefühl haben gegen eine Wand zu reden und nicht gehört zu werden.“
Claus Strunz: Buchautor „Geht’s noch Deutschland?“, der Journalist findet: „Probleme anzusprechen ist nicht gleich Rassismus, aber man wird in der Tat gleich in die rechte Ecke geschoben, wenn man das tut. Dieses Schubladendecken ist mit Schuld an der Spaltung der Gesellschaft.“
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Am Ende ging es bei Frank Plasberg dann aber doch vor allem um das Thema Migration.
Migrationsfrage „Mutter aller Probleme“?
Die Migrationsfrage sei die „Mutter aller Probleme“, hatte Horst Seehofer gesagt. Ob er Recht hat oder nicht, wollte Frank Plasberg von der Runde wissen. Hier zeigte sich auch die Gespaltenheit in der Talkrunde. „Ich glaube, dass er recht hat“, so Ex-BamS-Chef Strunz. Ihm entgegnet die Pastorin Behnken entsetzt: „Ich kann nicht verstehen, wie man das verteidigen kann.“
Die Verrohung der Debattenkultur zeigt sich vor allem in den sozialen Medien. „Sobald der Begriff Moslem oder Islam auftaucht, ist so viel negative Energie, Emotion, in der Debatte“, stellt Strunz richtig fest. „Weil ein Teil des Islam durchaus auch kritikwürdig ist, der radikale.“
„Hassbotschaften noch und nöcher“
Journalistenkollege Abdollahi ist Muslim, hat aber nach eigene Aussage mit dem Ramadan nicht viel am Hut. Er kam 1986 aus dem Iran nach Deutschland und erlebt, was es heißt, täglich angefeindet zu werden.
„Es kommen Hassbotschaften noch und nöcher, Leute sagen, was machst du hier, mach deine Arbeit doch in Saudi-Arabien oder Syrien, oder wann geht dein Rückflug in den Iran?“ Teils drohten ihm die Leute auch mit dem Tod.
„Keiner denkt an die Steuern, die ich brav für das Land gezahlt habe und mit der die Infrastruktur aufgebaut wurde, über die sie mir jetzt diese Posts schicken können.“
Abdollahi zeigt Verständnis für Ostdeutsche
Er hat Verständnis für die Leute in Ostdeutschland: „Ich kann das verstehen, dass die Menschen im Osten sagen, über unsere Sorgen wird nicht gesprochen. Ich habe auch das Gefühl, dass als Migrant über meine Sorgen nicht gesprochen wird“, findet Abdollahi.
Die Stimme des Ostens in der Runde, Antje Hermenau, empörte sich über etwas anderes: Mit dem „Spiegel“-Titel „Sachsen – wenn Rechte nach der Macht greifen“ „wurde ein ganzer Volksstamm an den Pranger gestellt.“
Bei Twitter gab es wahlweise Kritik an Claus Strunz, der sich an einer Verschärfung der Debatte nicht beteiligt sehen will, als auch an Abdollahi und Dirk Rossmann.
Die Twitter-Reaktionen:
Es geht auch zivilisiert
Ausgerechnet ein Neonazi sagte dann den Satz des Abends, der vielleicht am bemerkenswertesten war. Ein Einspieler zeigte Bilder einer NDR-Reportage von Michel Abdollahi, gedreht im Dorf Jamel in Mecklenburg-Vorpommern, das manchen als „Nazidorf“ bekannt ist. Viele hier teilen rechtsextremes Gedankengut, ein Holzschild weist den Weg zu Hitlers Geburtsort.
Ein Mann wird befragt, der eben dieses Gedankengut offenbar sehr zu schätzen weiß. Abdollahi kommt ins Plaudern mit ihm, fragt ihn, was denn wäre, wenn künftig Flüchtlinge in seinem Dorf wohnen würden. Wenn da plötzlich eine hilfsbedürftige Familie auftauche, was er dann tun werde. Seine Antwort: „Wenn man sie wirklich kennenlernt, kann man sie nicht hassen.“
Am Ende kam man dann auch kurz auf das Thema Arm und Reich. „Wir brauchen einen Aufbruch, müssen verstärkt in den Sozialwohnungsbau investieren, erbschaftssteuerfrei“, sagt Dirk Rossmann, Familienvermögen: 3,2 Milliarden Euro. Er warnt vor dem Ende des Konjunkturaufschwungs und sorgt sich um den Wohnungsmarkt, vor allem für niedrige Einkommensgruppen.
Auf welches Getränk Michel Abdollahi nach der Sendung Antje Hermenau noch einladen werde, wollte Frank Plasberg zum Abschluss von „hart aber fair“ noch wissen. „Mögen sie Chardonnay?“, fragte der Angesprochene.
„Hart aber fair“ kommt immer Monatagabend um 21 Uhr in der ARD. Frank Plasberg moderiert sie Sendung seit 2001 ohne Unterbrechung. Zwischen 2001 und 2007 lief das Format im WDR, seit 2007 in der ARD. (ms)