Erhält jemand Hartz IV, so muss er sich an einige Vorschriften halten. Sonst kann es schnell passieren, dass die Bezüge gestrichen werden. Dazu zählen unter anderem: Erscheinen zu den Beratungsterminen, Wahrnehmen von Job-Interviews und das Annehmen von möglichen Jobs – auch wenn sie nicht unbedingt dem Traumberuf entsprechen.
Doch manchmal wird die staatliche Unterstützung auch zu Unrecht gestrichen, wie die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann in der Huffpost erklärt. Und weil sie sich dafür einsetzten würde, dass dies nicht passiere, sei sie gefeuert worden!
Konkret nennt Hannemann ein Beispiel: Sie habe einen 20-Jährigen betreut, der vor Kurzem seinen Realschulabschluss gemacht habe und jetzt von Hartz IV lebe. Doch er verpasste seine Beratungstermine im Center – und ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu erklären, seien ihm prompt die Zuschüsse gestrichen worden.
„Jeder hat eine zweite Chance verdient“
Hannemann habe daraufhin versucht, die Hintergründe und mehr über das Leben des jungen Mannes herauszufinden. Denn sie ist der Meinung: Jeder hat eine zweite Chance verdient.
In einem längeren Gespräch habe ihr der Arbeitslose erzählt, dass er schwierigen familiären Verhältnissen stamme: Beide Elternteile würden unter dem sogenannten Messie-Syndrom leiden und die Wohnung regelrecht verwahrlosen lassen. Weiter heißt es: „Deswegen lebte der Sohn praktisch nicht mehr zu Hause, übernachtete bei Freunden. Die Post vom Jobcenter leiteten die Eltern ihm nie weiter, er wusste also nicht einmal von der Existenz der Briefe.“
————————————
Mehr Themen:
„Maybrit Illner“ im ZDF: Politologe kritisiert Schäubles Wahlempfehlung: „Will Merkel zu Betriebsunfall der Geschichte machen“
Kritiker zerreißen neuen Film von Til Schweiger: „Lustig wie eine Wurzelbehandlung ohne Narkose“
Krankheitsdrama bei den Wollnys: Silvia am Ende – „Man ist einfach machtlos!“
————————————
Sanktionen manchmal zu Unrecht gestrichen?
Dass der Wille da gewesen sei, habe sie bemerkt, als sie ihn schließlich über das Handy verständigte und er zu den Terminen im Jobcenter erschien.
Überzeugt davon, dass er ein Recht auf Unterstützung habe, habe Hannemann angefangen, sich mit dem Jobcenter auseinanderzusetzen und zu begründen, warum das Streichen der Sanktionen in seinem Fall ungerechtfertigt war.
Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin: „Würde es immer wieder tun“
Doch: „Immer wieder wurde ich mit der Anschuldigung konfrontiert, Sanktionen grundlos zurückzuziehen“, erzählt sie. Dann sei sie schikaniert und – weil sie sich gegen die Kritik wehrte – vom Dienst entlassen worden. Schließlich habe sie Hausverbot im Jobcenter bekommen und sei ins Integrationsteam versetzt worden.
Trotz alledem erklärt sie: „Ich würde es immer wieder tun.“ Denn sie ist sich sicher: „Wer an die Menschen glaubt und ihnen Möglichkeiten gibt, an sich selbst zu arbeiten, kann sich über solche Erfolge freuen.“ So auch im Falle des jungen Mannes: Er studiert mittlerweile Medizin. (cs)