In der Bundeswehr kümmert sich ein Verein um homo- und transsexuelle Soldaten. Rechtlich sind diese gleichgestellt, aber nicht immer verläuft ein Coming-out problemlos.
Idar-Oberstein.
Schon Gerüchte hatten ausgereicht: Günter Kießling sei homosexuell und damit erpressbar. 1983 versetzte der damalige Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) den Bundeswehrgeneral vorzeitig in den Ruhestand. Später wurde Kießling rehabilitiert, weil die Gerüchte haltlos waren. Gut 30 Jahre später spielt die sexuelle Ausrichtung bei der Bundeswehr rein rechtlich keine Rolle mehr. Für Gleichberechtigung setzt sich der „Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr“ (Ahsab) ein. „Im Großen und Ganzen geht es uns gut“, sagt Sprecher Marcus Otto, Truppenoffizier im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein und selbst homosexuell.
Offene Diskriminierung homo- oder transsexueller Soldaten erlebt Otto heute selten. Noch vor einigen Jahren sei es wahrscheinlicher gewesen, dass mehrere Kameraden zusammen einen anderen gemobbt hätten. Komme es heute zu Anfeindungen, dann würden viele Kontra geben. Aber: „Das Thema ist relativ neu“, sagt Otto. Der Anstoß zur Wende kam dabei aus einer anderen Männerdomäne – mit dem Coming-out des Ex-Fußballprofis Thomas Hitzlsperger im Januar 2014. Seitdem stoße die Arbeit des Arbeitskreises in der Bundeswehr auf großes Interesse.
Noch immer gibt es versteckte Diskriminierung
Mit dem Fußball will Pressestabsoffizier Stefano Toneatto im Zentrum Innere Führung in Koblenz seinen Arbeitgeber aber nicht vergleichen. „Die Bundeswehr ist keine typische Männerdomäne mehr“, sagt er. Die Bundeswehr unterliege außerdem gesetzlichen Regelungen, wie etwa dem Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten. Eine Diskriminierung Homosexueller finde nicht statt, sagt Toneatto. „Wir tragen dieselbe Uniform, und die sexuelle Ausrichtung spielt keine Rolle.“
Ob eine Beurteilung auf einmal schlechter wird oder Sprüche fallen: „Versteckte Diskriminierung gibt es heute natürlich auch“, sagt Otto. Schwieriger sei es in sehr männlich geprägten Truppengattungen, etwa in kämpfenden Einheiten. Wo dagegen mehr Frauen arbeiteten, könne ein Coming-out problemloser verlaufen, zum Beispiel im Sanitätsdienst. Schon die Öffnung des Militärs für Frauen 2001 sieht Otto als Vorteil. Derzeit zähle die Bundeswehr gut zehn Prozent Frauen, berichtet Toneatto.
Als Otto vor zwölf Jahren seinen Wehrdienst antrat, hatte er sich noch nicht eingestanden, dass er auf Männer steht. „Ich hatte auch während meiner Laufbahn keinen gefunden, der so fühlt und denkt wie ich“, sagt er. Stattdessen fühlte er sich alleine, konzentrierte sich auf die Karriere. Als er sich schließlich einer Truppenpsychologin anvertraute, empfahl sie ihm den Ahsab. „Dort habe ich dann festgestellt, dass ich nicht alleine bin“, sagt Otto.
Rund 30 Bundeswehrangehörige sind transsexuell
Deswegen wünscht sich Joachim Schulte von der Initiative „QueerNet Rheinland-Pfalz“ eine Akzeptanz-Kampagne in der Bundeswehr. „Es geht darum, im Alltag sichtbar zu sein, selbstverständlich zu sein.“ Themen wie Homo- oder Transsexualität sollten fester Bestandteil schon der Grundausbildung werden. „Männerdominierte Gruppen haben mit Homosexualität noch immer ein größeres Problem als gemischte gesellschaftliche Gruppen“, sagt Schulte.
Viele Soldaten haben nach Ansicht von Otto ganz einfach Berührungsängste. Sowohl bei Betroffenen als auch bei Vorgesetzten bestünden Unsicherheiten. Seit gut einem Jahr aber sei vieles im Umschwung, immer wieder wird der Ahsab nun für Vorträge eingeladen. Zunehmend beschäftigt er sich auch mit transsexuellen Soldaten, berät sie, wenn es um die Weiterverpflichtung oder Urkundenänderungen nach einer Geschlechtsumwandlung geht. Rund 30 Bundeswehrangehörige seien transsexuell, sagt Otto. Betreuung, Hormonbehandlung und Geschlechtsumwandlung zahle die Bundeswehr in solchen Fällen. (dpa)