Eheprobleme? Angst vor der Prüfung? Und dann keinen Termin beim Psychologen. Kein Problem. In Schweden hat ein Taxi-Unternehmen die Marktlücke erkannt und „Taxitherapeuten“ eingestellt. Es gilt natürlich die absolute Schweigeplicht des Fahrers.
Stockholm.
In Stockholm ist es nun schon gegen 16 Uhr zappenduster. Und das ist erst der Anfang. Die immer dunkler und kälter werdenden Tage und die Aussicht auf einen weiteren langen skandinavischen Winter machen die Menschen traurig und einsam. Nun will das größte Taxiunternehmen der schwedischen Hauptstadt gegensteuern.
Wer in einen Wagen der Gesellschaft „Taxi Stockholm“ bestellt, kann gleich einen begleitenden Psychologen auf die Rückbank neben sich, mitbuchen. Laut dem Taxi-Unternehmen ist es der erste Versuch dieser Art weltweit.
Etwa auf der Fahrt vom abgelegenen Flugplatz Arlanda nach Hornstull auf der Südinsel Södermalm können Fahrgäste dann Versäumnisse der Eltern in der Kindheit aufarbeiten. Auch wenige tiefschürfende Verhaltensstrategien gegen das herbstliche Unwohlsein, etwa mit morgendlichem Sport, können maßgeschneidert zusammengestellt werden. Auf dem Weg zum Anstellungsgespräch können unruhige Bewerber sich neben der entspannten Taxifahrt auch ein aufbauendes Gespräch („Pepptalk“) mit einem Profi genehmigen.
Schweigepflicht wie in der Arztpraxis
Drei Psychologen hat das Taxi-Unternehmen dafür befristet angestellt. Die Schweden sind schüchterne Menschen. Wer davor Angst hat, dass da ja noch der Fahrer vorne am Steuer sitzt und mitlauscht und zudem dank Kreditkarte den Namen des Fahrgastes erfährt, sei beruhigt. Alle Fahrer mussten eine Verschwiegenheitsübereinkunft unterschreiben. Was im Taxi besprochen wird, beleibt im Taxi, wie in der Arztpraxis.
Hinten können neben dem Psychologen zwei Fahrgäste sitzen. Auch neben dem Fahrer ist noch ein Platz frei. Ehepaare mit Beziehungsproblemen können so den fahrenden Therapiedienst zusammen in Anspruch nehmen und gegebenenfalls noch die außereheliche Ursache vorne mitfahren lassen. Zumindest in den nächsten zwei Wochen will die Taxifirma mit den „Taxitherapeuten“ gegen alle Arten von psychischem Unwohlsein der Stockholmer ankämpfen.
„Keine Taxifahrt ist zu kurz, um zumindest das eine oder andere psychische Problem anzugehen!“, verspricht „Taxitherapeutin“ Mia Fahlen in der Werbekampagne der Taxigesellschaft. Schon eine Zehnminutenfahrt könne ausreichen, um einen Fahrgast in eine Denkrichtung zu stupsen, die dessen Leben zum besseren wendet, heißt es da.
Es gibt sogar eine eigene Homepage für die Taxitherapeuten (taxiterapeuterna.se). Da sind Fotos, Hintergrund und Spezialgebiete wie etwa „Lebenskrisen und Beziehungsprobleme“ der einzelnen Therapeuten aufgelistet. Neben einer Taxifahrt kann so im Internet direkt auch ein fahrtbegleitender Psychologe per Knopfdruck mitgebucht werden.
Zu wenig reguläre Psychologen
Das Taxi-Unternehmen erwartet einen regen Ansturm auf seine Taxitherapeuten. In Schweden ist der Mangel an regulären, an die Krankenkasse angeschlossenen Psychologen enorm. Wartezeiten für Hilfsbedürftige sind lang, wenn sie nicht privat zahlen können. Fahlen etwa nimmt normalerweise 1200 Kronen (128 Euro / 155 Franken) pro Therapiestunde.
Während der Taxikampagne kostet das Therapie-Gespräch den Fahrgast nur die gewöhnliche Taxifahrt. Die Psychologen selbst machen mit, weil sie die ungewöhnliche Situation „spannend finden“ und einen anderen Schlag Menschen erwarten als den, der normalerweise den Weg in teuere Privatpraxen findet.
Das Taxiunternehmen selbst ist auf die Idee gekommen, weil Fahrer oft auch Psychologen für ihre Fahrtgäste spielen wollen oder müssen, erklärt Natalia Santos von Taxi Stockholm dieser Zeitung. Oft seien Fahrer überfordert mit den Problemen, die ihnen da unerwartet mitten im Straßenverkehr präsentiert werden. „Fahrer fragen häufig, wie sie auf mitteilungsbedürftige Kunden reagieren sollen“, sagt sie. Einigen Fahrern gefalle die Rolle gut, anderen hätten Probleme damit. „Um die 70 Prozent unser Fahrgäste empfinden die Fahrten laut einer unserer Umfragen zudem als geeignet zur Reflexion“, sagt sie.
Konkurrenzkampf ist groß
Da war die Idee vom Taxitherapeuten naheliegend. „Wir schauen erstmal, wie es läuft. Wir können uns eine Fortsetzung vorstellen, aber das muss erstmal alles ausgewertet werden“, sagt Santos. Der Konkurrenzkampf um Fahrgäste ist groß in Stockholm. Die Wagen fahren stets mit Logo und Farben ihrer Firma und sehen nicht, wie etwa in Berlin, einheitlich aus. Bei Taxiwarteschlangen haben Kunden das Recht sich einen Wagen ihrer Lieblingsfirma auszusuchen, statt das Taxi nehmen zu müssen, das ganz vorne in der Schlange steht. Auch unzählige Schwarztaxifahrer mit Privatautos drücken die Umsätze. Da könnte sich das Bemühen um das seelische Wohlergehen der Fahrgäste langfristig durchaus auch rechnen.