Veröffentlicht inPanorama

Ist das Rätsel um „John Smith“ gelöst?

Das Rätsel um „John Smith“

mannohnegedächtnis.jpg
Nach Veröffentlichung dieses Fotos gingen zahlreiche Hinweise bei der norwegischen Polizei ein. Foto: dpa/Norwegian Police
Vor Monaten fand man in Norwegen einen Mann halbnackt und übel zugerichtet im Schnee. Er wusste nicht, wer er war. Monate grübelt die Polizei über seine Identität. Jetzt melden sich die angeblichen Eltern. Das Rätsel scheint gelöst, die Spur führt wohl nach Tschechien.

Oslo. 

Der Mann, den sie in Norwegen „John Smith“ nennen, lag mit dem Gesicht im Schnee, bewusstlos, schwach. Übel zugerichtet fand ihn am 14. Dezember 2013 ein Spaziergänger auf einem Bürgersteig in Oslo. Tags darauf wachte er im Krankenhaus auf, mit Schnittwunden an Knöcheln und Handgelenken – und erinnerte sich nach eigenen Angaben an nichts. Seitdem grübeln norwegische Ermittler darüber, wer „John Smith“ ist, was ihm zugestoßen ist und wo er herkommt. Denn der große blonde Mann spricht zwar fünf Sprachen, aber kein Norwegisch. Jetzt könnte die Polizei seiner Identität endlich auf die Spur gekommen sein.

Vater aus Nordmähren

„Ich glaube, ich bin Tscheche“, hatte der Mann ohne Erinnerung dem norwegischen Rundfunk erzählt. „Es ist die Sprache, die ich am besten verstehe.“ Er spreche auch englisch, polnisch, slowakisch und russisch. Seine Anwältin glaubt, dass er aus Osteuropa kommt und im englischsprachigen Ausland studiert hat. „Er hat einen großen und akademischen Wortschatz“, sagte Cathrine Grøndahl den Medien.

Nachdem sich „John Smith“, wie der Mann sich selbst taufte, vor einigen Tagen an die Öffentlichkeit wandte, stand das Telefon bei den norwegischen Ermittlern nicht mehr still. „Wir hatten zwei Tipps, die in Richtung Tschechien deuteten“, sagt Anwalt Sturla Henriksbø von der Polizei in Oslo der Deutschen Presse-Agentur. Danach soll „John Smith“ ein 36 Jahre alter Tscheche sein, wie die dortige Polizei erklärte.

Die Eltern des Mannes wollen ihn erkannt haben. „Die Behörden sind in der Sache aktiv, unseren Sohn haben wir mehrere Jahre nicht gesehen“, sagte der in Nordmähren lebende angebliche Vater dem Fernsehsender Barrandov. Das könnte erklären, wieso die Eltern ihn bisher nicht vermisst gemeldet hatten. Bei „John Smith“ soll es sich um einen Computerspezialisten handeln, der bis vor drei Jahren in Prag gelebt und gearbeitet hat, wie tschechische Medien weiter berichten. Ein Mann mit dem angegebenen Namen sei im Melderegister der benachbarten Stadt Kolin registriert und werde dort auch im Handelsregister geführt.

Betäubungsmittel im Körper

Was sonst noch durch die Medien über den Mann bekannt ist, liest sich wie ein Krimi. Zeitweise habe der Computerexperte vor Gericht als Sachverständiger gearbeitet. Dabei soll er zur Aufklärung einiger Fälle beigetragen haben. Das könnte ihn in Gefahr gebracht haben.

Noch heute habe der Mann Angst vor den Angreifern, die ihn in einen so üblem Zustand versetzten und am Straßenrand zurückließen. „Ich bin am 15. Dezember mit Dreitagebart im Krankenhaus aufgewacht, also glaube ich, dass etwas am 12. Dezember passiert sein könnte“, mutmaßt er.

Er sei dehydriert und ausgehungert gewesen. Tiefe Schnittwunden an seinem Körper hätten davon gezeugt, dass er misshandelt worden sei. „Meine Hände waren ganz offensichtlich zusammengebunden worden.“ Der Arzt habe Betäubungsmittel in seinem Körper gefunden.

Immer noch Furcht vor Peinigern

Aus Furcht vor seinen Peinigern habe er nun sein Aussehen verändert. Die letzten Monate beschrieb er als „Hölle“. Er lebte seit Ende Dezember in einer Notunterkunft der norwegischen Wohlfahrt. „Diejenigen, die mir das angetan haben, sind immer noch auf freiem Fuß. Bis Dienstag haben sie nicht gewusst, dass ich überlebt habe, aber jetzt wissen sie es. Und, dass ich in Oslo bin. Ich möchte mein Leben nicht der Gefahr aussetzen, dass sie vollenden können, was sie angefangen haben.“

Der Fall hat Ähnlichkeit mit dem sogenannten Piano-Mann, der im April 2005 an einem englischen Strand gefunden worden war. Dieser wirkte verwirrt und blieb stumm, spielte aber auf der Psychatriestation angeblich leidenschaftlich Klavier. Der Mann wurde zu einem tschechischen Klavierpianisten erklärt, dabei handelte es sich um einen aus der Oberpfalz stammenden Deutschen.

Ob „John Smith“ wirklich Tscheche ist und seine angeblichen Eltern die Wahrheit über seine Identität sagen, soll nun ein DNA-Test ans Licht bringen. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir seine Identität aufgeklärt haben“, sagt Henriksbø schon jetzt. Bevor er seine vermeintlichen Eltern kontaktiert, will „John Smith“ den DNA-Test abwarten.