Endlich Urlaub! Doch viele wissen die freie Zeit nicht zu genießen. Mehr als jeder zweite Berufstätige kann nicht abschalten, hat eine Studie gezeigt. Zu den Gründen zählen Leistungsdruck und Dauererreichbarkeit. Experten erklären, wie man es trotzdem schafft runterzukommen.
Köln/Münster.
Lange, sehr lange haben wir auf die Ferien gewartet. Endlich Urlaub! Und jetzt? Da hat man nun die freie Zeit, weiß diese aber nicht zu nutzen. Wir können uns nicht mehr richtig erholen. Das scheint ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, wie das Kölner Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften herausgefunden hat. In einer großen Studie sind die Experten aus den Bereichen Sport und Psychologie zu dem erschreckenden Ergebnissen gekommen, dass mehr als jeder zweite Berufstätige betroffen ist. Ausspannen, die Seele baumeln lassen – damit haben 63 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer große Probleme. Ihnen helfen weder Strand noch Palmen. Und auch im Alltag fehlt diesen Menschen die Muße zum Müßiggang.
„Bei den Betroffenen besteht ein Ungleichgewicht zwischen Stress und Erholung. Manchmal sammelt sich so viel Stress an, dass die Belastung in einem Nervenzusammenbruch endet“, sagt Studienleiter Professor Henning Allmer. Auch wenn sie sich die Zeit für einen Urlaub oder für Pausen im Arbeitsalltag nehmen, kommen sie nicht zur Ruhe, können nicht abschalten, lassen ihre Gedanken weiter um die Arbeit kreisen.
Die Gründe
Sie sind vielfältig, haben aber oft etwas mit den Entwicklungen im Arbeitsleben zu tun. Zeitdruck, hohe Verantwortung und andere mentale Belastungen spielen laut Allmer eine Rolle. Hinzu komme, dass sich vieles im Sitzen abspielt: „Früher haben wir uns mehr bewegt, heute sind wir bequemer und halten uns länger am Schreibtisch auf.“ Wenn die körperliche Belastung abnehme, gehe es aber auch mit der Leistungsfähigkeit bergab.
Mehr Frauen betroffen
Dafür sieht der Leiter der Stressstudie vor allem zwei Ursachen: Zum einen die Doppelbelastung – oft klagten Frauen, die berufstätig sind und sich dazu noch um Kindererziehung und Haushalt kümmern müssen, dass sie nicht abschalten können.
Zum anderen neigten Frauen häufiger als Männer dazu, noch alle Aufgaben unbedingt abschließen zu wollen, bevor sie Freizeit und Erholung zulassen können.
Bewegung, bitte
Etwas Entscheidendes haben wir vergessen: Körperliche Beanspruchung, wohl dosiert, ist etwas Positives. Um in Schwung zu kommen, sich fit zu halten und damit auch die Erholungsfähigkeit in Gang zu setzen, rät Allmer, Bewegung in den Alltag zu integrieren, beispielsweise mit diesen einfachen Tipps:
Im Stehen telefonieren, sich selbst zum Laufen zwingen, indem der Drucker etwas weiter weggestellt wird oder der Kaffee selbst geholt wird (gilt auch für Chefs. Dehnübungen am Schreibtisch und ein Spaziergang in der Mittagspause bringen Büromenschen ebenfalls in Schwung.
Falsche Taktik
Erholung kommt nicht auf Knopfdruck. Vom Schreibtisch aus direkt mit gepackten Koffern auf die Autobahn Richtung Süden stürzen? Abends aus dem Flieger hetzen und am nächsten Morgen wieder in der Firma sein? Das ist die falsche Taktik! Henning Allmer vergleicht es mit einem hochtourig laufenden Motor, der plötzlich abgewürgt wird.
Besser sei, langsam in den Erholungs- oder Arbeitsmodus umzuschalten, sich vor und nach dem Urlaub noch ein oder zwei freie Tage zu Hause zu gönnen. Erholungsforscherin Carmen Binnewies von der Uni Münster rät: „Nach den Ferien besser nicht an einem Montag zum Arbeitsplatz zurückkehren, lieber mittwochs anfangen. Es entlastet mental, zunächst in eine kurze Woche zu starten.“
Teufelszeug: Handys
Auch hier kommt es auf das richtige Maß an. Wenn selbst bei einer Safari oder beim Bergsteigen Telefon und Internet wichtiger sind als die Reiseeindrücke, dann läuft etwas falsch. „Es gibt Typen, die sich als unentbehrlich wahrnehmen. Die denken, dass ohne sie zu Hause und im Büro gar nichts läuft. Ihnen kann eine professionelle Beratung oder Therapie helfen“, sagt Henning Allmer. Er rät, im Urlaub das Handy auszuschalten und keine Mails zu checken.
Einige Unternehmen legen ihren Mitarbeitern bereits nahe, dass sie auch nach Feierabend keine Mails mehr beantworten sollten, um besser abschalten zu können: „Diese Firmen haben die Zeichen der Zeit erkannt.“ Von ausgeruhten, ausgeglichenen und damit leistungsfähigen Mitarbeitern hätte schließlich auch das Unternehmen mehr.
Nichtstun genießen
Die wichtigsten Tipps, um endlich abschalten zu können:
- Realistisch bleiben. Im Urlaub muss nicht alles nachgeholt werden, was im Alltag zu kurz gekommen ist.
- Bücher lesen, um den Partner kümmern, die Kinder bespaßen, Sport treiben, Kultur erleben – bitte nicht alles wollen und schon gar nicht auf einmal.
- Die Zeit nicht minutiös durchplanen, lieber Platz für Freiräume lassen und das Nichtstun genießen.