Handwerksbetriebe dürfen bei der energetischen Sanierung von Wohnhäusern beraten, sanieren und sich am Ende selber bescheinigen, dass die durchgeführten Arbeiten den Anforderungen der Förderbank KfW entsprechen. Kritiker sehen darin eine Einladung zum Subventionsbetrug. Was Bauherren wissen sollten.
Essen.
Dämmrepublik Deutschland: Milliarden werden derzeit in die energetische Sanierung von Wohnhäusern gesteckt, um das Klima zu schützen und die Heizkosten zu senken. Doch ausgerechnet jetzt, da die Energieeinsparverordnung noch einmal verschärft wurde, lockert die staatliche Förderbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ihre Förderrichtlinien. Seit Juni gilt: Handwerksbetriebe, die einen Hausbesitzer beraten und die Sanierung durchgeführt haben, dürfen sich auch selbst die Einhaltung der Förderkriterien bescheinigen. Für Bauherren und Steuerzahler könnte das böse Folgen haben: „Damit hat man dem Betrug Tür und Tor geöffnet“, heißt es in den Ingenieurkammern.
Was sich geändert hat
Konkret geht es um die wohl beliebtesten Förderprogamme der KfW, die aus Bundesmitteln finanzierten Programme 430 (Zuschuss) oder 152 (Kredite). Mit Steuergeld werden Immobilienbesitzer darin unterstützt, das Haus mit Einzelmaßnahmen energetisch auf Vordermann zu bringen, etwa durch die Dämmung der Fassade. Planung und Baubegleitung werden durch einen Sachverständigen mit einem zusätzlichen Zuschuss in Höhe von bis zu 50 Prozent der Kosten gefördert. Maximal sind das 4000 Euro pro Vorhaben.
Seit dem 1. März 2013 und bis zum Juni diesen Jahres galt: Ein wirtschaftlich unabhängiger Gutachter musste die vorgenommenen Arbeiten eines Handwerksbetriebs abnehmen und bestätigen. Wurde gegen diese Trennung verstoßen, gab es von der KfW keinen Zuschuss. Bundesregierung und Förderbank selbst hatten die Regeln verschärft, um eine „Sicherung der energetischen Qualität in den KfW-Förderprogrammen“ zu gewährleisten, so eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks indes lief gegen diese Einschränkung Sturm. Zahlreiche Handwerker hatten sich in den vergangenen Jahren zu Gebäudeenergieberatern weitergebildet und in diesen zusätzlichen Geschäftszweig viel Geld investiert. Nach Protesten von Betrieben und Verbänden lockerte die KfW nun die Kontrollregeln. Seit dem 1. Juni gilt: Handwerksbetriebe dürfen ihre Kunden sowohl im Vorfeld der Förderung beraten als auch danach die Arbeiten ausführen und später bestätigen, dass diese den geforderten energetischen Ansprüchen entsprechen. Ein Beispiel: Ein Dachdeckerbetrieb dämmt das Dach und bestätigt im Nachhinein als Energieberater, dass die Auflagen für eine Bezuschussung erfüllt sind. Einzige Voraussetzung: Der Betrieb muss in eine Expertenliste des Bundes eingetragen sein.
Die Kritik
Wer die Kontrolle durch einen unabhängigen Experten streiche, erleichtere den Betrug, heißt es in den Ingenieurkammern. Im schlimmsten Fall würden Steuergelder für unsachgemäß durchgeführte Maßnahmen fließen: „Wenn bei der Dachdämmung die Sparrentiefe nicht ausreicht, kommt vom Handwerksbetrieb am Ende trotzdem ein Stempel drauf. Der Dumme ist am Ende der Bauherr“, sagt ein Bauingenieur und Energieberater aus Essen, der anonym bleiben möchte.
Ob überhaupt eine fachgerechte energetische Sanierung stattgefunden hat, wird offenbar kaum kontrolliert. Das Fernsehmagazin „Plusminus“ berichtete von 420 Vor-Ort-Kontrollen in 2013 – bei 400.000 geförderten Maßnahmen. Das Risiko, erwischt zu werden „tendiert gegen null“, bestätigte ein anonymer Handwerker vor der Kamera. Dies sei eine „Einladung zum Subventionsbetrug“.
Die KfW verteidigt die Lockerung ihrer Regeln. Auf Anfrage erklärte eine Sprecherin, man wolle „den Zugang zu den Fördermitteln – insbesondere für kleinteilige Einzelmaßnahmen – möglichst unkompliziert gestalten“. Und Betrug könne man nie ausschließen.
Den Vorwurf, die Handwerkerlobby habe die strengeren Kontrollen gekippt, weist der Zentralverband des Deutschen Handwerks zurück. Man habe den Entscheidern bei KfW und in der Bundesregierung lediglich „die Realität aufgezeigt“. Sprecher Alexander Legowski in der Handwerkszeitung: „Die Kosten für eine unabhängige Begutachtung haben oft den Fördervorteil zu einem großen Teil aufgefressen .“