Das ZDF hat den Anspruch, am Samstagabend Neues zu wagen. Bei den ersten drei Krimis gelang das. Jetzt folgt mit „Friesland – Mörderische Gezeiten“ Neustart Nummer vier. Der schrullige Landkrimi überrascht das Publikum mit dem, was es schon kennt.
Mainz.
Es war verrückt. Zuletzt hatte ein Standard-Krimi wie „Stubbe“ im Zweiten mehr Zuschauer als der Show-Klassiker „Wetten, dass..?“. Was das ZDF noch mehr bedrückte: Der Film war, finanziell gesehen, ein billiges Vergnügen, das Spektakel mit dem glücklosen Herrn Lanz indes ein teurer Spaß. Seither sucht das ZDF am Samstagabend sein Heil in Krimis. Drei neue Formate haben bereits Premiere gefeiert. Am Samstag, 20.15 Uhr, folgt der vierte Neustart: „Friesland – Mörderische Gezeiten“.
ZDF-Filmchef Reinhold Elschot gab Anfang des Jahres die Devise aus, der Samstagskrimi im Zweiten solle das werden, was der „Tatort“ sonntags im Ersten ist. „Mit unseren Filmen“, so lautete sein Credo, „wollen wir immer wieder zeigen, wie man mit guter Qualität viele Zuschauer erreicht.“ Nur beides zusammen garantiert, dass die Filme Lagerfeuer-Qualität haben. Sie werden dann nicht nur von einem großen Publikum gesehen, sondern, mehr noch, auch noch am Tag darauf diskutiert.
Ein überbordendes Angebot an Krimis
Angesichts eines überbordenden Angebots an Krimis gleicht die Aufgabe, einem Krimi ein unverwechselbares Profil zu geben, allerdings einer Quadratur des Kreises. Am leichtesten lässt sich einem Krimi ein regionales Profil geben. Deshalb haben die Öffentlich-Rechtlichen das Land mit erbarmungsloser Konsequenz mit Fernsehkommissariaten gepflastert. Mit dem „Tatort“ fing es an. Das Konzept der Krimi-Reihe sieht vor, die föderale Struktur der Bundesrepublik mit einer Vielzahl an Ermittlern zu spiegeln.
In verwässerter Form übertrugen ARD („Heiter bis tödlich“) und ZDF („Soko“) das Konzept auf den Vorabend. Die Fälle werden kompakter und klischierter erzählt. Der Vorabend bietet Nebenbei-Fernsehen, wenn die Nation beim Abendessen sitzt.
Das Angebot ist quotenträchtig, einerseits. Andererseits verschwimmen Ermittler, Fälle, Orte, ja sogar die optische Anmutung der Filme. Fernsehen schrumpft zur Fototapete mit bewegten Bildern.
Gerade deshalb stellt sich die Frage, ob sich das ZDF mit den vier neuen Krimis tatsächlich etwas traut. Zugegeben, die drei ersten Neustarts haben Potenzial. „Helen Dorn“ erzählte eine überraschend komplexe Geschichte, bei der weder sie noch das Publikum den Überblick verlor. Der weite Ermittlungsraum – von Düsseldorf ging’s mal ins Bergische, mal an den Niederrhein – spiegelte die gewachsene Mobilität unserer Gesellschaft. „München Mord“ präsentierte Alexander Held als Underdog-Ermittler, der mit Feingefühl und feinem Humor zum Ziel kommt. Lisa Wagner zeigte „Kommissarin Heller“ im Rhein-Main-Gebiet mit liebenswerten Macken. Doch „Friesland“ enttäuscht.
Ostfriesland war bisherein weißer Fleck auf der TV-Karte
Wirklich neu ist nur die pittoreske Kulisse. Ostfriesland war bisher ein weißer Fleck auf der Fernsehlandkarte. Aber der Auftaktfall zeigt eben nicht volles Programm aus Leer. Dem Krimi von Dominic Müller (Regie) sowie Arne Nolting und Jan Martin Scharf (Drehbuch) fehlt ein wieder erkennbares Polizei-Duo.
Der tapsige Jens Jensen (seine Verbundenheit zu Land und Leuten ist eher Hindernis als Hilfe) erinnert an Dietmar Schäffer (Bjarne Mädel) aus „Mord mit Aussicht“, seine ehrgeizige türkische Kollegin Süher Özlügül an Nora Dalay (Aylin Tezel) aus dem Dortmunder „Tatort“. Die dritte Ermittlerin ist eine Apotherin, die sich als Hobby-Forensikerin versucht. Theresa Underberg gibt die Miss-Marple-Variante mit dem überdrehten Kulleraugen-Charme von Vorabendserien.
Und der Fall? Es wird in jeder Hinsicht viel Wind gemacht. Letztlich geht es aber, Standard in ländlichen Krimi-Komödien, um schrullige Typen, die mit launigen Sprüchen und hübscher Situationskomik solide in Szene gesetzt werden. Massenware für den gehobenen Geschmack. Unverwechselbar geht anders. „Friesland“ ist kaum mehr als der Eifel-Krimi „Mord mit Aussicht“ – nur tiefer gelegt.