Bad Reichenhall. Die Neuzugänge der Bad Reichenhaller Gebirgsjäger stammen aus ganz unterschiedlichen Ecken Europas. Die einen haben bereits «gedient», die anderen sind blutjung – nur eines ist ihnen allen gemeinsam: Sie haben vier Beine.
Seit Ende vergangenen Jahres stehen im Einsatz- und Ausbildungszentrum für Gebirgstragtierwesen (EAZ) zehn neue Mulis oder «Remoten», wie man die tierischen Militäranfänger korrekt nennt. Sechs Tiere stammen aus Frankreich, vier aus Spanien. «In Deutschland gab es einfach keine Angebote mehr», erklärt Oberfeldveterinär Franz von Rennenkampff.
Kreuzung aus Eselshengst und Pferdestute
Mehrere Wochen befanden sich die Mulis, eine Kreuzung aus Eselhengst und Pferdestute, in Quarantäne. Nun darf mit ihrer Ausbildung begonnen werden. Urielle, Ulysse und die anderen vier Franzosen stehen an der Stallmauer und beäugen misstrauisch, was hinter ihrem Rücken vorgeht. Die Jährlinge müssen zunächst mit der Grundausbildung beginnen. «Die sollen jetzt erstmal umgänglich für den Tierführer gemacht werden», erklärt Oberstabsveterinär Stefan Hampel. «Das heißt, sie müssen spielerisch lernen, sich am Halfter führen oder sich waschen zu lassen.»
Für Ulysse, einen kleinen drahtigen Hengst, steht heute «Hufgeben» auf dem Programm. Sein Muliführer tätschelt ihm freundlich die Hinterbacke und redet ihm gut zu, aber Ulysse denkt gar nicht daran, seine Hufe säubern zu lassen: Wild schlägt er nach hinten aus.
«Ich muss dem Vorurteil, Mulis seien störrisch, ganz vehement widersprechen», erläutert Hampel. «Die Tiere sind unglaublich intelligent. Wenn sie nicht tun, was wir verlangen, dann liegt der Fehler bei uns.» Diese Devise machen sich die Tierführer auch bei Einsätzen zunutze. Ein störrischer Muli ist laut Hampel nicht einfach unwillig, sondern gibt ein Warnzeichen: «Er signalisiert uns, dass wir ihn in eine für Mensch und Tier gefährliche Situation gebracht haben.»
Der Veterinär hat die Tiere in Spanien und Frankreich ausgesucht und nach Deutschland begleitet. Der langwierige Transport nach Deutschland sei nahezu reibungslos verlaufen, berichtet er. Erst kurz vor Ende der Reise hatten die französischen Jungtiere genug: Sie büxten aus und tollten über den Hof der Gastkaserne.
Nicht alle Tiere sind geeignet
Ob ein Tier für die Ausbildung bei den Gebirgsjägern geeignet ist, erkennt Hampel zum einen an seiner drahtigen Statur, aber auch an den «Umgangsformen», die es mitbringt. «Uns nützt kein leistungsstarkes Tier, das sich nicht anfassen lässt.» Ulysse überhört derlei Worte vorerst noch – mittlerweile halten zwei Soldaten seinen Huf umklammert und ein dritter schüttet Wasser darüber.
Während die älteren spanischen Mulis teilweise noch in diesem Jahr in einen der Einsatzzüge übernommen werden sollen, geht für die jungen Franzosen die «ernsthafte» Ausbildung erst in zwei Jahren los. Über fünf Jahre lernen sie dann, in schwierigem Gelände zu marschieren, schwere Sättel und zum Schluss auch schwere Lasten zu tragen.
Fast täglich sind die Tragtiere der Bad Reichenhaller zu Übungsmärschen in den Alpen unterwegs – oft verbunden mit einer nützlichen zivilen Mission. Beispielsweise versorgen die Mulis in den Sommermonaten die Zwieselalm mit Lebensmitteln. «Eine ökologischere Form der Warenlieferung gibt es in den Bergen nicht», erklärt Rennenkampff.
Leistungsfähgie Mulis
Ein ausgebildeter, vierbeiniger Gebirgsjäger muss bis zu 180 Kilogramm tragen und das in Gelände, in dem weder Jeeps noch Hubschrauber einsetzbar sind. «Aus Pakistan wissen wir, dass Mulis bis in Höhen von 6000 Metern voll leistungsfähig sind», erläutert Rennenkampff.
Die Bad Reichenhaller Mulis mussten sich bislang mit zivilen und Übungseinsätzen begnügen. Als zwischen 2002 und 2004 Gebirgsjäger während des KFOR-Einsatzes im Kosovo stationiert waren, haben sie wegen der komplizierten Einfuhrbestimmungen mit dortigen Mulis gearbeitet, um die Bergpässe zu kontrollieren. «Unsere Männer haben aber unglaublich von den Erfahrungen profitiert, die sie in Bad Reichenhall sammeln konnten», sagt Rennenkampff. (ddp)