Leichte Weine sind en vogue, sind auch ein Markenzeichen der deutschen Winzer. Ihre Charakteristika heißen Tiefe, Finesse und Eleganz. Sie sollen sich auch ohne Essen trinken lassen und Lust auf den nächsten Schluck machen – aber am nächsten Tag keinen dumpfen Kopf.
Essen.
Die originellste Antwort auf die Frage, was eigentlich ein leichter Wein ist, hat Nancy Sinatra gegeben. „Erdbeeren, Kirschen und der Kuss eines Engels“, sang 1967 die Lady mit den langen Beinen. Sommerweine haben inzwischen das ganze Jahr über Saison. Sie heißen dann anders. Doch in der Flasche bleibt sie, diese unbeschwerte Leichtigkeit des W(S)eins.
Ihre Charakteristika heißen Tiefe, Finesse und Eleganz. Sie sollen sich auch ohne Essen trinken lassen und Lust auf den nächsten Schluck machen – aber am nächsten Tag keinen dumpfen Kopf. Sprich, sie sollten wenig Alkohol haben, oder frei nach unserem Dichterfürsten und Wein-Sympathisanten Johann Wolfgang von Goethe: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.“
Leichte Weine sind en vogue, sind auch ein Markenzeichen der deutschen Winzer, denn hierzulande, am nördlichen Ende des Weltweinbaus, sind die Bedingungen dafür ideal. „In den deutschen Weinregionen haben die Trauben sehr lange Zeit zu reifen und besonders viel Aromastoffe auszubilden. Die Weine haben dadurch trotz vergleichsweise geringer Alkoholgehalte von unter zwölf Volumenprozent eine große geschmackliche Fülle“, erläutert Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI).
Alkoholgehalt von unter zwölf Volumenprozent
Weißweinrebsorten aus diesem unserem Lande können besonders gut Weine dieses Typs hervorbringen – ein klassischer Riesling-Kabinett etwa oder auch junge Silvaner und Rivaner. Rotweine sind generell gehaltvoller, da sie aufgrund der naturgemäß höheren Gerbstoffgehalte etwas mehr Fülle benötigen. Groß im Kommen sind derzeit Blanc de Noirs, die ebenfalls aus Rotweinsorten weiß gekeltert werden.
Bernhard Prinz von Baden betreibt am Bodensee das Weingut Markgraf von Baden. Hier, in diesem kühlen voralpinen Klima, produziert seine Königliche Hoheit schlanke, leichte Typen. Spätburgunder und – typisch für diese Region – Müller-Thurgau. „Wir laufen damit in den Trend hinein, der leichte Weine goutiert.“ Das Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) betont in diesem Zusammenhang: „Leichtigkeit darf man aber nicht mit Oberflächlichkeit verwechseln. Wir kreieren raffinierte, nicht aufgeblasene und fette Weine.“
Schlanke Tropfen liegen auch im Trend zur bewussten Ernährung. Sie sind hervorragende Begleiter zur leichten Küche, mit viel Gemüse, Salaten und wenig Kalorien. „Zu sehr scharfen Gerichten sollten grundsätzlich eher Weine mit geringeren Alkoholgehalten gereicht werden, denn Alkohol erhöht den Schärfedruck am Gaumen“, betont DWI-Sprecher Ernst Büscher. Als halbtrocken ausgebauter Wein dämpft beispielsweise ein Riesling die pikante Schärfe von Gewürzen, und seine Fruchtsäure verleiht den Speisen eine angenehme Frische.
Verantwortlich ist eine neue Generation von Winzern
Tina Pfaffmann, Winzerin aus Frankweiler, ist seit jeher ein Riesling-Fan. „Für mich ist diese Rebsorte immer noch das Unglaublichste, das mir im Weinbereich begegnet ist. So viele Gesichter und Facetten – das ist immer wieder begeisternd.“
Leichte Weine sollten jung und frisch getrunken werden, denn in den ersten Jahren kommen die Fruchtaromen am deutlichsten zur Geltung. Sie sind selten für die lange Lagerung von mehr als drei Jahren gedacht. Eine Ausnahme stellen Rieslinge beispielsweise von der Mosel dar. Sie sind auch in leichter Ausprägung nach längerer Lagerung noch ein Genuss.
Beispiele für kühle Weinbauregionen sind Deutschland, Österreich, Nordfrankreich oder Neuseeland.
Der Trend zum Leichten begann vor rund fünf Jahren. Auch damals war die Weinbranche schon auf der Suchen nach Neuem. Und so gebar sie den Begriff „cool climate“. Dahinter verbergen sich eben diese „Bruder-Leichtfuß-Weine“.
Bis 2009 bejubelte die Reben-Szene dichte und alkoholstarke Gewächse. Weine, wie sie vor allem aus Übersee nach Europa kamen und sich deutlich vom klassischen Stil der alten Welt unterschieden: intensive, konzentrierte Weiß- und Rotweine mit Alkoholwerten, die 14, 15 Prozent und mehr erreichten. Paradoxerweise fand diese Entwicklung zu einer Zeit statt, als sich die Ernährungsgewohnheiten unserer modern atmenden Gesellschaft längst in Richtung Leichtigkeit, Frisch und Bekömmlichkeit bewegte. Während Lebensmittel gar nicht leicht genug sein konnten, postulierte die Weinwelt: Nur ein schwerer, dichter und dazu noch holzwürziger Wein hat Starqualitäten.
In den letzten Jahren ist indes eine neue Generation von Winzern angetreten, das Gegenteil zu beweisen. Sie zeigen, dass Leichtigkeit und Größe, Harmonie und Komplexität sich nicht ausschließen müssen.
Leicht und cool, hin oder her. Am Ende zählt, was Tina Pfaffmann auf den Punkt bringt: „Leute. Hört auf Euer Empfinden und Euren Geschmack und lasst Euch nichts einreden. Wein ist etwas Sensationelles, was jeder für sich auf seine Weise entdecken darf.“