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Longboarden ist in, Inline-Skaten out

Longboarden ist in, Inline-Skaten out

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Foto: WAZ FotoPool
Für den Laien sieht es aus wie ein Skateboard, aber die Szene mag diesen Vergleich gar nicht: die bis zu 150 Zentimeter langen Longboards. Rollsport-Papst Titus Dittmann erklärt die Faszination des langen Brettes und sagt, warum Inline-Skaten inzwischen out ist.

Münster. 

Vor zehn, fünfzehn Jahren waren alle ständig auf der Rolle: Jeder sechste Deutsche besaß Inline-Skates. In Parks und auf Anliegerstraßen, auf Seepromenaden und an den Ufern der Flüsse sah man sie vorbeirauschen. Fußgänger hatten es schwer, sie waren in der Minderheit. Das hat sich geändert. Zwar rollen die Inline-Skater auch weiterhin, aber der Boom scheint vorbei. Ihre Gemeinde ist überschaubar geworden. Mehr noch: Sie droht überholt zu werden. Achtung, die Longboards kommen!

Longboard – Was ist das?

Für den Laien sieht es aus wie ein Skateboard, aber die Szene mag diesen Vergleich gar nicht. Longboarder und Skateboarder setzen ihre Bretter anders ein – und sie pflegen unterschiedliche Philosophien. Einer, der in beiden Welten unterwegs ist, ist Titus Dittmann. „Ich bin tolerant geworden“, sagt er grinsend – er fährt beides und bleibt dabei völlig entspannt.

Der Skateboard-Pionier gilt als Mitbegründer der Skateboard-Kultur in Deutschland. Ende der 70er-Jahre hat er mit seiner missionarischen Arbeit angefangen – und das Skateboarden jüngst bis an die Hochschule gebracht, mit einem Lehrauftrag an der Uni seiner Heimatstadt Münster.

Zu den Äußerlichkeiten: Das Longboard schafft es auf bis zu 150 Zentimeter, es ist damit deutlich größer als das Skateboard und erinnert schon fast an ein Surfbrett. Seine Rollen sind größer und weicher als die des Skateboards. Im Kern bestehen beide Bretter aus verleimtem Bergahorn-Holz. „Das Material ist ähnlich, die Emotionen sind anders“, sagt Titus Dittmann.

Wie fährt es sich?

Zu den inneren Werten: Das Longboard ist der Reisezug unter den Boards. Es eignet sich für längere Strecken, fährt sich leichter und komfortabler als das kleine, krawallige Skateboard. Für Tricks und Sprünge ist es dagegen zu behäbig. In der Praxis sieht das dann so aus: Der Skateboarder läuft zu Fuß zur Rampe und holt erst dort sein Board aus dem Rucksack, um aufzudrehen. Der Longboarder rauscht lässig auf seinem Board über Stock und Stein bis zur Rampe, kann dort aber nicht viel mehr ausrichten, als bloß zuzugucken.

Wer macht so was?

„Das Longboard ist das ideale Altherren-Board“, sagt Titus Dittmann provokativ. Er meint: Kaum ein Mensch jenseits der 30 ist körperlich noch in der Lage, ein wildes Skateboard richtig zu zähmen, wenn er nicht schon in jungen Jahren damit begonnen hat, es zu lernen. Da gibt sich das Longboard etwas zutraulicher, was aber auch die Jugend zu schätzen weiß.

„Es ist für einen aus der Skateboard-Szene herauswachsenden Erwachsenen ein schöner Ersatz“, – sagt jemand, der selbst 63 ist und gerne am Wochenende mit dem Longboard zum Bäcker fährt. Titus Dittmann ist einer der lässigsten Asphalt-Surfer Deutschlands.

Wo sind die Inline-Skater geblieben?

„Aus Sicht vieler Jugendlicher ist das Inline-Skaten inzwischen zur uncoolsten Bewegung der Welt geworden“, behauptet der Experte. Denn: Mit diesen Ablegern der klassischen Schlittschuhe hätten sich Erwachsene ihre Jugend zurückkaufen wollen.

Auf der Straße konnte es für rollende Jungs und Mädels also durchaus peinlich werden, wenn sie plötzlich von Papa und Mama im Geschwindigkeitsrausch überholt wurden oder gar mit ihnen verwechselt wurden. Da suchte der Nachwuchs nach Alternativen, nach etwas, das die Eltern auf ihre alten Tage nicht mehr so ohne weiteres lernen konnten. Er fand das Long­bo­ard.

Droht dem Longboard eine ähnliche Vereinsamung wie den Inline-Skates?

„Nein“, sagt Dittmann ganz entschieden. Auch wenn das Longboarden längst im Mainstream angekommen ist, also die Massen bewegt, dürfte es sich seine Attraktivität und Faszination erhalten. „Longboarden ist komplexer, schwieriger als Inline-Skaten, und eben mit dem cool wirkenden Skateboard verbandelt. Deshalb bleibt es interessant.“ Auch für die Werbeindustrie.

Den Inline-Skatern mit ihrer wenig aufregenden Alltagskleidung ist es verwehrt geblieben, ein eigenes Image aufzubauen und zu pflegen. Werbeverträge, Video- und Spielfilme, sogar eigene Kollektionen für Schuhe und Bekleidung sahnten die Kollegen Skateboarder ab.