Ein Mann aus dem Westerwald steht wegen ungeheuerlicher Verbrechen in Koblenz vor Gericht. Er soll seine eigene Tochter und seine Stieftochter in 14 Jahren zigfach missbraucht haben. Außerdem soll er beide zum Sex mit fremden Männern gezwungen haben, das Geld der Freier behielt er.
Fluterschen.
Der 750-Seelen-Ort Fluterschen im Westerwald: Familienhäuser, ein Landgasthof, ein paar Handwerksbetriebe. Am Donnerstagnachmittag toben Jungs und Mädchen im Kindergarten „Sternschnuppe“. In der Nähe hält ein Schulbus, Jugendliche steigen aus. Niemand ahnt, welches Missbrauchsdrama sich hier abgespielt hat. Ein arbeitsloser Familienvater aus dem Dorf im Kreis Altenkirchen steht unter dem Verdacht, jahrelang schwerste Sexualverbrechen begangen zu haben. Die Verbrechen sind so ungeheuerlich – selbst erfahrene Juristen sind schockiert.
Der 48-Jährige soll seine Tochter, seine Stieftochter und seinen Stiefsohn jahrelang sexuell missbraucht haben. Darüber hinaus soll er seine Tochter, heute 18, und seine Stieftochter, heute 28, zur Prostitution gezwungen haben. Und: Er soll mit seiner Stieftochter seit der Jahrtausendwende acht Kinder gezeugt haben. Das erste, ein Junge, starb wenige Wochen nach der Geburt an plötzlichem Kindstod. Es ist im Nachbardorf begraben. Mit der Mutter der Stieftochter ist er verheiratet. Ab Dienstag muss er sich vor dem Landgericht Koblenz verantworten.
Getuschelt wurde offenbar seit Jahren. Eine Frau aus der Nachbarschaft des Angeklagten erzählt: „Wir haben uns oft gewundert über die vielen Kinder in seinem Haus. Vor allem weil sie ihm so ähnlich sahen. Die Familie behauptete stets, ein Unbekannter sei der Vater der Kinder. Aber: Es gibt einen DNA-Test, der die Vaterschaft des Angeklagten beweist.
Verzweifelter Abschiedbrief
Die Polizei nahm den 48-Jährigen am 10. August 2010 fest. Die Stieftochter hatte einen an die Mutter gerichteten Abschiedsbrief der verzweifelten Schwester gefunden und an das Jugendamt weitergeleitet.
Der Mann sitzt seither in Koblenz in Haft. Er schweigt zu allen Vorwürfen. Er ist nicht vorbestraft. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft die Sicherungsverwahrung gegen ihn beantragt. Weil die Tatvorwürfe derart schwerwiegend sind. Und weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist – so die Begründung.
Jugendamt schweigt
Das wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor: Er soll zwischen 1987 und 2010 mindestens 350 Sexualverbrechen verübt haben. Er soll seine Tochter und seine Stieftochter zigfach missbraucht haben – unter anderem in seinem Auto in einem Wald in Altenkirchen. Zudem zwang er laut Anklage beide, mit zwei Männern in Altenkirchen und Straßenhaus gegen Bezahlung Sex zu haben. Das Geld soll er kassiert haben. Ende der 80er-Jahre soll er auch seinen Stiefsohn missbraucht haben.
Wie konnte das alles jahrelang geheim bleiben? Das Jugendamt in Altenkirchen schweigt dazu. Ralf Lichtenthäler, Ortsbürgermeister von Fluterschen, sagt: „Die Familie fiel nicht besonders auf.“
Der Prozess belastet die mutmaßlichen Opfer sehr. Anwältin Sandra Buhr vertritt die Tochter des Angeklagten: „Meine Mandantin hofft, dass er vor Gericht alles gesteht.“