Venedig – das sind Markusplatz, Rialtobrücke und Canal Grande, Gondeln und prachtvolle Palazzi. Alles schon einmal gehört oder gesehen, könnte man meinen. Doch die Dokumentation „Wildes Venedig“ erzählt eine ganz andere Geschichte. In ihr sind die Hauptdarsteller keine verliebten Paare in den Flitterwochen oder Touristen auf der Jagd nach dem besten Urlaubsmotiv. Gejagt wird zwar auch, aber eher im wörtlichen Sinn.
Denn der 45-minütige Film von Klaus Steindl nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise in die Parallelwelt von „La Serenissima“, wie Venedig in Anlehnung an frühere Zeiten auch heißt. Es geht um Flamingos, Fischströme, Turmfalken, Füchse, Muscheln und, ja, auch Ratten – allesamt echte Venezianer, wie es im Film öfter heißt.
Massentourismus contra Natur
Dank ihrer einzigartigen Lagunenlage hat sich in der weltberühmten Stadt im Nordosten Italiens ein Ökosystem entwickelt, von dessen wahrer Pracht die wenigsten Touristen etwas mitbekommen. Eigentlich unverständlich, denn der quicklebendige Kosmos ist häufig nicht weit entfernt von den verwunschenen Gässchen und malerischen Brücken, für die Venedig von zahllosen Besuchern so verehrt wird.
Flamingos in Venedig? Ja, die von den Italienern fenicotteri genannten rosafarbenen Vögel sind von Zeit zu Zeit auch in der Lagune von Venedig zu beobachten. Die Zuschauer erfahren: Die Tiere „pendeln“ zwischen Nordafrika, Sardinien, der Camargue und seit einiger Zeit eben auch nach Venedig, dem europaweit nördlichsten Lebensraum für Flamingos. Und sie sind nicht allein: Kormorane und etliche andere Vogelarten konkurrieren vor allem in Zeiten der Alpen-Schneeschmelze um die Jagdgründe in der Welt aus Wasser.
Mit beeindruckenden Luftaufnahmen und immer wieder sehr gelungenen Kamerafahrten aus der Nähe, die so wirken, als wäre der Filmer im entscheidenden Moment gar nicht dabei, fördert die Doku aus der Reihe „Erlebnis Erde“ Wissenswertes zutage. Sie erzählt von den besonderen Umständen in einer Stadt, die einst auf Holzpfählen gebaut wurde und deren Schicksal untrennbar mit dem Wasser verbunden ist – im Guten wie im Schlechten.
Der Massentourismus hat auch Einfluss auf die Natur. Das Thema streift der Film nur, er lässt vor allem die Bilder riesiger Kreuzfahrtschiffe sprechen, die sich auf die Stadt zubewegen.
Auf seiner Jagd nach Nahrung lässt sich etwa der erfahrene Seidenreiher von dem venezianischen Trubel nicht sonderlich beeindrucken. Auch wenn einer der vielen Wasserbusse, Vaporetto genannt, schon ganz kräftige Wellen produziert, von einem Megadampfer ganz zu schweigen. Blitzschnell schnappt sich der hungrige Vogel einen der begehrten Jungfische, die im Frühjahr in großer Zahl in die Lagune strömen, weil sich das seichte Wasser eher erwärmt als das offene Meer.
Fazit: Starke Naturaufnahmen zeigen die andere Seite Venedigs, das vor allem dann spannend ist, wenn der Touristenstrom im Winter versiegt ist.
ARD, 20.15 Uhr