„Mister Sportschau“ wird an diesem Mittwoch 85 Jahre alt. Ernst Huberty glänzte durch seine seriöse Kommentierung und auch durch seine Haar-Vorlieben. Er kaschierte fehlendes Haupthaar mit einem einfachen Kämmtrick.
Essen.
In einer Zeit, als Telefone noch Wählscheiben hatten, Autos Käfer oder Kadett hießen und nicht einmal Schlaghosen aus Cord belästigend auf die Netzhaut wirkten, gab es tatsächlich auch im Fernsehen noch verlässliche Konstanten. Karl-Heinz Köpcke gab der „Tagesschau“ ein Gesicht, Peter Frankenfeld meisterte die Abend-Unterhaltung, Robert Lembke fütterte ein Sparschwein mit Fünfmarkstücken, Ilja Richter knipste in seiner „Disco“ das Licht aus und den Spot an, und den Bundesliga-Fußball präsentierte uns ein freundlicher Herr in der „ARD Sportschau“, der sein spärliches Haupthaar mit einem Kämmtrick zu kaschieren versuchte: Ernst Huberty. Der Mann, den die Leute hochachtungsvoll „Mister Sportschau“ nannten, wird an diesem Mittwoch 85 Jahre alt.
Ernst Huberty – seine Stärke war Seriosität
Schon in den Sechzigern war er einer der Köpfe des Schwarz-Weiß-Fernsehens, einer der Pioniere seiner Zeit: Der Mann mit dem ebenso mutigen wie markanten Seitenscheitel gehörte zum Samstag wie Autowaschen, Erbsensuppe und Badewanne. Seine Stärke war die Seriosität, Sport und Show galten damals noch als Kontrapunkte. Als Studio-Moderator verkündete er das Wort zum Sport in optisch und akustisch gepflegter Manier, nie großspurig und schon gar nicht schreihälsig. Und wenn er ein Live-Spiel als Kommentator vor Ort übertrug, dann plapperte er auch dabei nicht, sondern er würzte seine bewusste Zurückhaltung durch pointierte Bemerkungen zur passenden Zeit.
„Ausgerechnet Schnellinger…“
Wie beim so genannten Jahrhundertspiel, beim Weltmeisterschafts-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien 1970 in Mexiko, das die Italiener nach einer hochspannenden Verlängerung mit 4:3 gewannen. Als der damals beim AC Mailand unter Vertrag stehende Abwehrspieler Karl-Heinz Schnellinger die scheinbar bereits geschlagenen Deutschen in letzter Minute mit einem beherzten Grätschsprung zum 1:1 in die Verlängerung beförderte, brüllte Ernst Huberty nicht, sondern er sagte nur zwei Worte, ebenso treffend wie legendär: „Ausgerechnet Schnellinger“ – und dahinter waren eher drei Punkte zu hören als ein Ausrufezeichen.
Huberty wollte Feuilleton-Redakteur werden
„Ich wollte eigentlich Feuilleton-Redakteur werden“, erzählt der gebürtige Trierer, der seine Maxime auch sensibel auf den Sport übertrug: „Nichts ist schlimmer als der schludrige Umgang mit der Sprache.“
Am 4. Juni 1961 moderierte Ernst Huberty die erste „Sportschau“. Je nach Entfernung brachten damals Motorradfahrer oder Hubschrauberpiloten die Filmrollen nach der ersten Halbzeit und direkt nach Spielende zum Studio nach Köln, die Aufbereitung der Beiträge war mit Spannung und Ungewissheit verbunden. „Jede Sekunde zählte“, betont Ernst Huberty, der als Moderator die fertigen Werke noch nicht kannte.
Große Live-Leidenschaft
Seine große Leidenschaft waren die Live-Reportagen. Zu seiner Zeit wurden ja nur Länder- oder Europapokalspiele komplett übertragen, die ganz besonderen Ereignisse also. „Ich habe live immer geliebt, weil man nichts zurücknehmen kann“, erklärt Ernst Huberty. „Alles, was man sagt, ist in Stein gemeißelt. Das war immer der Reiz.“
Aber nie käme ihm der Satz über die Lippen, dass früher alles besser gewesen sei, im Gegenteil: „Ich habe mir selbst die Aufgabe gestellt, ein Spiel mit 18 Kameras zu übertragen, weil mich technische Neuerungen immer reizen.“
Die Kunst der Pause
Auch deshalb bildet er heute noch in Seminaren den sportlichen TV-Nachwuchs aus, der von ihm lernt, dass „die Pause oft wichtiger ist als das Reden“. Ernst Hubertys Tonfall klang nie aufdringlich: Er habe versucht, den Zuschauern das Gefühl zu vermitteln, „dass ich mit ihnen auf dem Sofa saß“. Diese Haltung bescherte ihm eine enorme Popularität, die auch nicht abnahm, als er 1982 nach einer undurchsichtigen Spesen-Affäre als WDR-Sportchef abgesetzt wurde.
30 Jahre später beteuert Ernst Huberty, dass ihn jene Geschichte nicht mehr belaste. Er lebt in zweiter Ehe in Frechen bei Köln, geht manchmal zum FC und regelmäßig ins Fitnessstudio. Sein Karriere-Rückblick ist geprägt von tiefer Harmonie: „Ich habe erreicht, was ich wollte.“
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