Mode im Arbeiter- und Bauernstaat? Das klingt nicht sehr ausgefallen. Und ob. In der Ostberliner Underground-Szene tobte das kreative Leben. Mittendrin: Frieda von Wild. Im Interview erzählt sie von Kleidung aus Duschvorhängen und der Initiative „Chic, charmant und dauerhaft“.
Sibylle Bergemann war eine der berühmtesten Modefotografinnen in der DDR und international bekannt. Ihre Tochter Frieda von Wild hat ihr Talent geerbt. Sie war Teil der Szene um das Anarcho-Label ccd – „Chic, charmant und dauerhaft“. Die Punk-Modenschauen der Gruppe feierten den Spaß an der Kreativität. Und das in einem System, das jeglichen Individualismus zu unterbinden suchte. Wie das funktionierte, hat sie im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verraten.
Frau von Wild, wie war die Mode in der DDR?
Frieda von Wild: Sie war nicht wirklich ansprechend, zumindest nicht das, was es in den Läden zu kaufen gab. Was die staatlich angestellten Designer als Prototypen gemacht haben, war eigentlich ganz gut. Die Entwürfe mussten dann aber von einer Kommission geprüft werden. Dort wurden sie sozusagen industrietauglich gemacht. Die Modelle waren später zum Teil im Laden nicht mehr zu erkennen. Was es in den Läden gab, konnte man nicht ernsthaft anziehen.
Welchen Trends oder Vorbildern folgte ccd?
von Wild: Wir wurden immer als die Punk-Modenschau beschrieben. Was wir gemacht haben, hieß zwar Modenschau, aber was ist denn Mode? Wir haben uns nur bedingt an Trends orientiert. Natürlich greift man immer Sachen auf. Es waren die 80er und klar hatten wir auch fette Schulterpolster und scheußliche Karottenhosen.
Ging es nur um Mode oder auch um Protest?
von Wild: Es war sicher auch Protest. Wir haben aber gar nicht so sehr darüber nachgedacht, was es ist oder was es sein könnte. Es ging auch nicht um Geld. Unsere Mieten haben damals 30 Mark gekostet. Wir wollten Spaß haben. Außerdem gab es nicht wirklich was zu kaufen. Wir konnten alle Nähen oder Stricken. Also haben wir uns die Sachen selbst gemacht.
Gab es da nicht Probleme mit der Regierung?
von Wild: Ja. Und? Wir sind trotzdem durch die Dörfer gezogen und haben Remi Demi gemacht. Vieles wurde unterbunden und trotzdem haben sich solche Sachen durchgesetzt. Irgendwie sind wir immer davon gekommen. Kurz vor einem Auftritt hieß es einmal, wir dürften die Schau nicht machen und dass wir jetzt verboten würden. Dann haben wir dem Genossen vom zuständigen Amt unsere Show gezeigt und er war total entsetzt und sagte: „Ihr müsst auf jeden Fall auftreten“.
Wie alltagstauglich war die ccd-Mode?
von Wild: Mit einigen unserer Entwürfe wäre man niemals in eine Straßenbahn oder in einen Bus rein gekommen. Es war aber auch nicht alles total ausgefallen. Wir haben auch viel mit den alten Kleidern von unseren Großeltern und ein paar anderen Elementen kombiniert.
Wie sah das genau aus?
von Wild: Wir haben vieles mit abgewandelten Materialien gemacht. Alles was irgendwie genäht werden konnte, wurde verwendet. Sei es ein Duschvorhang oder Bettwäsche. Es wurde einfach aus dem etwas gemacht, was da war.
Sind daraus Trends entstanden, die es vielleicht sogar über die DDR-Grenzen hinaus geschafft haben?
von Wild: Ich würde hier nicht von Trends sprechen. Wir hatten schon ein eigenständiges Gefühl für Form und Farbe und unsere Vorstellung von Mode. Der Westen damals aber viel zu ignorant, um uns ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich gab es auch Sachen aus dem Westen, die wir gerne gehabt hätten. Aber das meiste hat man sich dann einfach selbst gemacht.
Sie sind die Tochter der berühmten Modefotografin Sibylle Bergemann. Haben Sie die Kunst also schon in die Wiege gelegt bekommen?
von Wild: Viele von uns kamen aus Künstlerhaushalten. Das erklärt vielleicht, warum wir uns nicht mit dem, was da war, zufriedengeben wollten, sondern Lust hatten uns kreativ auszuleben. Ich bin mit der Modefotografie meiner Mutter aufgewachsen. Mode war schon immer ein Thema. Aber dabei ging es um Ästhetik und nicht um irgendwelche Modetrends.