Sie war ganz oben, bevor sie nach einer komplizierten Hirn-OP ins Koma fiel. Fünf Jahre später erzählt die Sportjournalistin Monica Lierhaus, wie sie ins Leben zurückkehrte und was sie immer wieder motivierte. Ihr Ziel war die WM in Brasilien, über die sie tatsächlich für den Sender „sky“ berichten wird.
Hamburg.
Das kupferrote Haar, ihr Markenzeichen, leuchtet schon von Weitem. „Guten Tag, ich bin Monica Lierhaus“, sagt sie mit fester Stimme. Sie wirkt nur kleiner, zerbrechlicher, als man sie aus alten „Sportschau“-Tagen kennt. Etwas kritisch schaut sie hinab auf den Bootssteg am Isekai, wo der Fotograf schon alles aufgebaut hat. „Wenn es kein Geländer an der Treppe gibt, haben wir ein Problem“, sagt sie. Ein Geländer ist da, nur leider links – für sie die falsche Seite.
„Kriegen wir aber hin“, sagt sie entschlossen, drückt dem Reporter ihre Handtasche in die Hand und steigt vorsichtig, Stufe für Stufe, hinab. Ihr Gang ist unsicher, tapsig – und dennoch fast ein Wunder. Denn vor gut fünf Jahren, als sie aus dem Koma nach einer Hirnoperation erwachte, fürchteten die Ärzte, dass Monica Lierhaus, 44, ein Pflegefall bleiben würde. Doch die Hamburgerin, die an einem Aneurysma, der Ausstülpung einer Arterie im Gehirn, litt, hat sich in ihr Leben zurückgekämpft.
Das große Comeback
Bei Spargel und Zanderfilet redet sie nach den Fotoaufnahmen eine Stunde lang über ihre Krankheit, ihren eisernen Willen und ihr großes Comeback als Reporterin bei der WM in Brasilien für Sky. Viele Worte sind dabei ihre Sache nicht. Monica Lierhaus antwortet klar, präzise und schnell.
Die Frage, wie es denn so geht, ist unter Journalisten eigentlich verpönt. Zu banal. Angesichts Ihres Schicksals frage ich aber dennoch: Wie geht es Ihnen, Frau Lierhaus?
Monica Lierhaus: Vielen Dank, mir geht es gut. Ich mache Fortschritte, zwar langsame, aber es wird jeden Tag besser.
Sie lagen nach Ihrer Hirn-OP fast vier Monate im Koma. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Lierhaus: Gar keine. Von Beginn der Operation bis zu meinem Erwachen aus dem Koma weiß ich nichts mehr. Ich glaube, dass sich der Körper auf diese Weise auch selbst schützt.
Gemessen an ersten Prognosen haben Sie unglaubliche Fortschritte gemacht.
Lierhaus: In der Reha in Allensbach hat mir ein Arzt gesagt, dass ich mich möglicherweise auf ein Leben im Rollstuhl einstellen muss. Es war sehr fraglich, wie weit sich mein Sprachzentrum regenerieren würde. Aber ich hatte meinem Mann gesagt, dass ich die Klinik ohne Hilfsmittel verlassen werde. Und das habe ich nach acht Monaten geschafft.
Ihr Sprachvermögen hat sich völlig wiederhergestellt. Oder fehlen Ihnen manchmal Worte?
Lierhaus: Nein, das ist völlig okay. Zwei Namen werde ich nie vergessen. Thomas Tuchel. Pavel Pogrebnjak. Mit ihnen hat mein Mann immer Gedächtnisübungen gemacht. Wo arbeitet Tuchel, wo spielt Pogrebnjak? ,Trainer in Mainz, Profi in Stuttgart‘, musste ich antworten.
Gab es Gedanken aufzugeben? Vielleicht sogar freiwillig aus dem Leben zu scheiden?
Lierhaus: Nie. Aufgeben ist etwas für Feiglinge. Wirklich motiviert hat mich immer der Gedanke an Brasilien 2014. Dass ich zu dieser WM als Journalistin will, habe ich Ende 2009 gesagt. Da haben mich Ärzte und Therapeuten nur müde belächelt.
Und jetzt haben Sie es geschafft.
Lierhaus: Ja, ich werde für Sky in Brasilien Interviews führen. Für mich geht ein Traum in Erfüllung.
Näher gelegen hätte eigentlich ein Comeback für die ARD.
Lierhaus: Aber dort waren alle WM-Plätze schon vergeben. Außerdem kehre ich bei Sky zu meiner alten journalistischen Heimat zurück. Denn nach dem Beginn meiner Karriere bei Sat.1 habe ich für den Sky-Vorgänger Premiere gearbeitet.
Sie haben ja schon erste Interviews für den Sender Sky mit Jürgen Klinsmann und Joachim Löw geführt. Begegnen Ihnen die beiden jetzt anders, vielleicht befangen?
Lierhaus: Nein, das sind beide sehr nette Menschen, es war genau wie früher.
Haben Sie sich Videos Ihrer Interviews angesehen?
Lierhaus: Ja, die beiden Gespräche waren gut. Vielleicht hätte ich bei Klinsmann noch mehr nachhaken müssen, das war bei Löw dann schon besser.
Wie hat die schwere Krankheit Ihr Wesen verändert?
Lierhaus: Vielleicht bin ich jetzt geduldiger geworden. Früher war ich schnell genervt.
Zwei Tage vor Ihrer schweren OP haben Sie noch von der Vierschanzentournee für die ARD berichtet. Wussten Ihre Kolleginnen und Kollegen, was Ihnen bevorstand?
Lierhaus: Nein, darüber hatte ich nur mit meiner Familie gesprochen. Ich habe auch nicht geglaubt, dass der Eingriff solche Folgen für mich haben würde.
Bereuen Sie, dass Sie den Eingriff überhaupt gemacht haben? Ihnen ging es doch bis auf das Pochen hinter dem Ohr ganz gut.
Lierhaus: Wäre ich nicht operiert worden, wäre das Aneurysma wahrscheinlich irgendwann geplatzt, was meinen Tod hätte bedeuten können. Keine gute Alternative, oder?
Können Sie sich vorstellen, wieder eine wöchentliche Sportsendung zu machen?
Lierhaus: Nein, so weit denke ich nicht. Aber Fernsehen und Sport ist doch das Einzige, was ich wirklich gut kann. Das würde ich schon sehr gern weitermachen.