BMW versucht sich mit dem Zweirad Typ C 650 GT auf dem Markt der Großroller. Beim Fahren unterscheidet es sich kaum noch von einem Tourenmotorrad. Ein Testbericht.
Essen.
Ist das noch ein Roller oder schon mehr ein Motorrad? Offiziell firmiert das Zweirad mit dem Typenkürzel C 650 GT als erster Motorroller in der Geschichte von BMW.
Was allerdings nicht richtig ist. Der ebenso revolutionäre wie erfolglose überdachte BMW C1 war bereits im Jahr 2000 seinem Wesen nach ein wendiger Roller, gemacht für den wühligen Stadtverkehr. Dass man ihn ohne Helm, jedoch angegurtet fahren musste, änderte nichts an seinem Charakter.
Der C 650 GT trägt im Sinne einer Vespa nur noch wenige Züge eines Rollers. Der bequeme freie Durchstieg vor der Gabel ist stark eingeschränkt, denn unter der Mittelkonsole liegt der Zweizylinder-Viertaktmotor. Mit den links und rechts daneben liegenden Trittbrettern ist die Grundplatte des C-Modells sehr breit. Wer unter 1,75 Meter misst, tut sich sehr schwer, mehr als die Fußspitzen auf den Boden zu bringen. Keine Spur von der Leichtigkeit des Roller-Seins. 258 Kilogramm Gewicht setzten der Beweglichkeit Grenzen. Außerhalb der Stadt verliert sich das Gefühl der Schwere und Spaß kommt auf.
Bei Tempo 175 ist Schluss
Motorradmäßig gut sind die perfekten Bremsen mit serienmäßigem Antiblockiersystem, herausragend der bequeme und wie die Griffe beheizbare Fahrersitz. Auf einem ausgewachsenen Tourenmotorrad lässt es sich kaum bequemer reisen. Allerdings ist der Motor trotz seiner Kapselung kein Leisetreter, sondern produziert neben 60 PS ein hartes, metallisches Ansauggeräusch. Bei 175 Stundenkilometern ist Schluss, Der Testverbrauch lag bei gut fünf Litern.
Perfekt für Stadt und Überland ist das stufenlose CVT-Getriebe. Längst findet man Automatikgetriebe nicht mehr nur bei Rollern, sondern auch bei Motorrädern. Allerdings: Es „rockt“ nicht richtig wie ein „echtes“ Motorrad. Das praktische Helmfach ist ebenfalls nicht mehr nur Rollern vorbehalten. Beim C 650 GT passen zwei Helme unter die abschließbare Sitzbank. Die eigentlich praktischen kleinen Seitenfächer unter dem Lenker sind leider nicht verschließbar und damit unnütz – was soll das, außer Kosten sparen?
Steckt hinter der bayerischen C-Klasse eher ein BMW oder mehr eine BMW? Bei Großrollern verwischen längst die Grenzen. Die Riesen-Scooter unterscheiden sich optisch noch stark vom Tourenmotorrad, weniger beim Fahren. Auf jeden Fall haben die bayerischen Motorenwerker ihr C preislich hoch eingestuft: 11 450 Euro für den GT, ein paar hundert Euro weniger für das sportlicher angehauchte Modell C 600 Sport, das aber trotz der irreführenden Typenbezeichnung den gleichen Motor mit 650 Kubikzentimeter Hubraum hat. Dafür gibt es (fast) einen neuen VW Polo.
BMW an der Preisspitze
BMW markiert mit den C-Modellen klar die Preisspitze bei Großrollern. Die Top-Modelle von Suzuki, Honda und Yamaha liegen teils deutlich darunter, ganz zu schweigen vom größten Kymco-Roller aus Taiwan für 8500 Euro. Und für den Hochpreiskurs könnte man bei BMW mehr Premiumanspruch und hochwertiger erscheinende Kunststoffe und Schalter erwarten.
Der Motorradroller von BMW startet jetzt in einer Zeit, in der die klassischen Roller-Märkte in Südeuropa am Boden liegen. Und nur zur Erinnerung: Der C1 scheiterte damals an seinem überzogenen Preis von 10 000 Mark – ein Roller zum Preis eines Autos. Da half auch das Dach nicht mehr.