Mückenplage in Deutschland – so bekämpfen Sie die Blutsauger
Es gibt wenig, was am Sommer so sehr nervt wie Mücken – ihr Summen in der Nacht und die gemein juckenden Stiche. Der Eindruck, dass es in diesem Jahr mehr sind, täuscht nicht – den bestätigen Forscher. Wir erklären, was man gegen Mücken tun kann – und warum mal wieder die Weibchen an allem Schuld sind.
Essen.
Deutschland leidet unter einer Mückenplage: Das ist nicht nur das Gefühl all derer, die ständig gestochen werden, das bestätigen auch Mückenforscher. Die gute Nachricht ist: Man kann sich mit Anti-Mücken-Mitteln und entsprechender Kleidung relativ gut vor Stichen schützen. Die schlechte: Ob man mit den nervtötenden, aber harmlosen juckenden, roten Pusteln oder mit Schwellungen und Schmerzen auf Mückenstiche reagiert, lässt sich nicht beeinflussen.
Der feuchte Frühsommer und das warme Wetter der vergangenen Wochen hat den Mücken richtig Spaß gemacht: Genug Pfützen und volle Regentonnen, um Eier abzulegen und genug Wärme, um die Entwicklung von der Larve bis zur Mücke so zu beschleunigen, dass die Menge der Mücken schnell ansteigt. In den Hochwasser-Gebieten kommen noch die hervorragenden Lebensbedingungen für die Hochwassermücken dazu.
Mückenjäger helfen Wissenschaftlern bei der Forschung
Von den 28 Mücken-Familien gibt es drei, die stechen. Kriebelmücken, Gnitzen und Stechmücken. Rund 50 verschiedene Stechmücken-Arten gibt es in Deutschland, erklärt Doreen Werner: Die Biologin erforscht Stechmücken und arbeitet mit ihren Kollegen am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung im brandenburgischen Müncheberg an einem Mückenatlas. Wer den Forschen helfen will herauszufinden, wo in Deutschland welche Mücken-Arten auftreten, kann gefangene – und am liebsten tiefgekühlte – Exemplare zur Bestimmung einschicken. 6000 Mücken schickten Jäger allein im vergangenen Jahr.
Eine der am häufigsten vorkommenden Arten ist die gemeine Hausmücke. Sie hat ihren Namen nicht umsonst: Sie kann praktisch überall auftreten, und die Stiche jucken ganz gemein. Wir erklären, warum Mückenstiche jucken, warum waschen hilft und warum die Weibchen an allem Schuld sind.
Welche Mücken stechen eigentlich – und warum?
Die Weibchen sind an allem Schuld, das muss man leider einfach so sagen. Doch die weiblichen Mücken ernähren sich genauso wenig vom Blut, wie es die völlig harmlosen Männchen tun. Wie die leben Weibchen auch von Pflanzensäften. Sie brauchen allerdings die Eiweiße, die sie mit dem Blut der „Wirttiere“ aufnehmen, für die Eierreifung.
Wenn eine Stechmücke – also dieses schlanke, etwa einen Zentimeter große Insekt, das so nervtötend summt – zusticht, steckt sie ihren Saug-Rüssel durch die Haut und spritzt Proteine unter die Haut: Die verhindern, dass das Blut an der Einstichstelle gerinnt – so kann die Mücke das Blut saugen. Die Reaktion der Zellen unter der Haut auf diese Proteine löst das Jucken aus und führt dazu, dass sich eine Quaddel bildet.
Kriebelmücken sehen mit ihren kleinen, rundlichen Körpern für Laien eher wie Fliegen aus – sind aber nicht so harmlos. Was sie tun, um an Blut zu kommen, klingt geradezu brutal, wenn Mückenforscherin Werner es beschreibt: „Kriebelmücken reißen mit ihren Mundwerkzeugen kleine Krater ins Unterhautbindegewebe“. Im Gegensatz zu den Stechmücken, die durch den in der Haut steckenden Rüssel Blut saugen, brauchen sie einen Bluttropfen, der sich auf der Haut bildet, um das Blut aufnehmen zu können, erklärt Werner.
Welche Menschen stechen Mücken am liebsten?
Mücken mögen am liebsten „Menschen, die ordentlich stinken und viel Atemluft produzieren“, formuliert es Wissenschaftlerin Doreen Werner mit einem Grinsen, „wenn Sie frisch geduscht sind, sind Sie für Mücken nicht mehr so attraktiv.“ Mit „süßem Blut“ hat die Plage also nichts zu tun.
Den Körpergeruch nehmen Mücken mit ihren Fühlern wahr, und tatsächlich muss niemand für Menschennasen stinken, um auf die Insekten anziehend zu wirken. Die Kombination aus Milchsäure, Ammoniak und verschiedenen Fettsäuren sei das, was für Mücken gut riecht, erklärt Andreas Rose, der erst an der Universität Regensburg und jetzt beim von der Uni gegründeten Unternehmen Biogents erforscht, was Mücken anlockt und was sie abschreckt.
Sehr wichtig ist auch das Kohlendioxid der Atemluft. Wer atmet, lebt, und ein lebender Mensch sei für eine Mücke erstmal nichts anderes als ein „Sack voll ungeronnenem Blut“, sagt Mückenforscher Andreas Rose hübsch anschaulich.
Was hilft gegen Mücken?
Doreen Werner sammelt und erforscht Mücken zwar – aber wenn ihr in freier Wildbahn eine zu nahe kommt, schlägt die Biologin auch zu. Neben dieser mechanischen Methode der Mückenbekämpfung gibt es auch die chemische: Lotionen, die auf die nicht von Kleidung bedeckte Haut aufgetragen werden. Die gibt es in Drogerien und Apotheken, und die meisten enthalten den vom amerikanischen Militär entwickelten Stoff DEET (Diethyltoluamid). Achtung: DEET ist ein Lösungsmittel und kann mit Kunststoffen, etwa in Brillen oder Uhren, Kunstfasern und Leder reagieren.
„Wichtig ist, die Lotionen vernünftig aufzutragen“, betont Biologe Andreas Rose – nämlich flächendeckend: Mücken finden die Stellen, die vergessen wurden, ziemlich treffsicher. Bei Tests mit einem zur Hälfte eingeriebenen Arm „kamen die Mücken bis auf ein, zwei Zentimeter an die Grenze heran“, berichtet der Mückenforscher. „Annähernd so gut“ wie die chemischen Mittel wirke das natürliche PMD, das aus Zitronen-Eukalyptus gewonnen werde, erklärt Rose. Auch dabei gelte: ordentlich auftragen.
Mücken suchen sich schattige, feuchte Plätze
Wer sich in der prallen Sonne aufhält, ist auch relativ sicher: Weil Mücken mit ihren langen Beinen, den Flügeln und dem Rüssel eine vergleichsweise große Körperoberfläche haben, ist für sie die Gefahr des Austrocknens groß. Deshalb suchen sie sich schattige Plätzchen und halten sich gern in der Nähe von Wasser auf – da reicht schon die Pfütze in einem Blumentopf-Untersetzer.
Das von der Uni Regensburg gegründete Unternehmen Biogents stellt Mückenfallen her. Die Geräte, die rund 240 Euro kosten, brauchen Strom und eine Flasche CO2 und simulierten einen „künstlichen Menschen“, erklärt Rose. Sie sollten in der Nähe von Brutstätten stehen, wo sie Mücken fangen und somit die Vermehrung verhindern. Eins muss Rose allerdings zugeben: „Wenn sich ein Mensch daneben stellt, ist der attraktiver.“
Wie behandelt man Mückenstiche?
Erste Regel bei Mückenstichen: nicht kratzen, wenn es irgend geht – da sind sich der Hautarzt und die Mückenforscher einig. Denn: „Wenn man kratzt, wird es schlimmer“, sagt Norbert Weindorf von der Universitätsklinik in Essen. In richtig schweren Fällen könnten sich sogar Knötchen unter der Haut bilden, die nicht mehr verschwinden. Ein weiteres Problem beim Kratzen: Man könnte die durch den Stich entstandene Wunde vergrößern – und eine Entzündung provozieren.
Statt zu kratzen sollten Gestochene den Stich lieber kühlen – zum Beispiel mit Leitungswasser, aber auch mit Gels aus der Apotheke. Und wenn es damit nicht getan ist? „Stärkere Schwellungen kann man mit mittelstarken Kortisonsalben behandeln“, sagt der Arzt. Sollten die nicht reichen, könnte ein Arzt Antihistaminika verschreiben: Das sind Medikamente, die jene Stoffe in den Zellen unter der Haut abfangen, die für die Reaktion auf den Stich verantwortlich sind.
Reaktionen auf Mückenstiche sind keine Allergien
Allergische Reaktionen, wie es sie zum Beispiel auf Wespen- oder Bienenstiche gibt, seien das allerdings nicht, betont Weindorf. Was auf Laien wirken kann wie eine allergische Reaktion sei eine gesteigerte Empfindlichkeit gegen die Stoffe, die Mücken injizieren, wenn sie stechen. „Wie stark diese Reaktion ist, kann extrem unterschiedlich sein“, sagt der Mediziner. Warum das so ist, sei nicht erforscht.
Manche Menschen reagieren mit starken Schwellungen auf die Stoffe, die Kriebelmücken in die Wunde injizieren. Weil die Wunde größer ist, kann es leichter zu Entzündungen kommen. Die Lymphgefäße können gereizt werden, in seltenen Fällen kann der gefürchtete rote Strich entstehen.
Das sei allerdings nicht das, was gemeinhin als Blutvergiftung bezeichnet wird, beruhigt Dermatologe Weindorf, sondern eine sogenannte Lymphangitis. Die entstehe auch nicht bei jedem Kriebelmückenstich. Entzündete Stiche würden in der Regel zuerst mit Kortisonsalbe behandelt und müssten beobachtet werden. Erst dann könnten Ärzte entscheiden, ob Antibiotika zur Behandlung nötig sind.
Übertragen Mücken in Deutschland gefährliche Krankheiten?
Mücken können die Erreger gefährlicher Krankheiten übertragen. In Deutschland müssen sich Menschen allerdings noch keine Sorgen machen. Für Tiere sieht die Sache schon anders aus: Nach dem Ausbruch der Blauzungen-Krankheit unter Wiederkäuern wie Schafen, Ziegen und Rindern 2006 habe man festgestellt, dass die Seuche von einheimischen Mücken übertragen wird; das, sagt Biologin Werner, sei vorher nicht bekannt gewesen.
Tatsächlich gibt es in Deutschland auch noch die Anopheles-Mücke, die Malaria übertragen kann. Allerdings ist die Malaria in Deutschland seit den 50er-Jahren nicht mehr aufgetreten – abgesehen von den Fällen, in denen sich Reisende in anderen Ländern infiziert haben. Inzwischen seien die Mücken in Deutschland und die zurzeit in der Welt verbreiteten Malaria-Formen auch nicht mehr richtig kompatibel, erklärt die Mückenforscherin: Damit ein Erreger gefährlich werden kann, muss er sich in der Mücke vermehren können.
Asiatische Buschmücke im Raum Köln/Bonn entdeckt
Auch eingewanderte Mücken sind bisher noch kein Problem. Im eher wenig exotischen Baden-Württemberg fühlt sich die Asiatische Tigermücke ganz wohl, die den fürs Dengue-Fieber verantwortlichen Virus übertragen kann, und im Köln/Bonner-Raum hat Mücken-Expertin Werner – alarmiert durch ein für den Mückenatlas eingeschicktes Exemplar – Populationen der Asiatischen Buschmücke entdeckt.
Die kann zum Beispiel das nicht ungefährliche West-Nil-Virus übertragen – allerdings nur dann, wenn das Virus auftaucht. Das ist in Deutschland noch nicht der Fall, im Gegensatz zu den USA, wo das vom Virus ausgelöste West-Nil-Fieber größere Probleme macht. Das gleiche gelte fürs Dengue-Virus, erklärt Werner: In Deutschland spiele es bisher keine Rolle, wohingegen in Frankreich und Italien Fälle aufträten.
„Drei Viren werden von Mücken in Deutschland übertragen“, sagt die Mückenforscherin: „das Batai-Virus, das Sindbis-Virus und das Usuntu-Virus.“ Letzteres habe in einigen Regionen Deutschlands ein Amselsterben ausgelöst – beim Menschen führe es in der Regel, wie die anderen beiden, höchstens zu Erkrankungen mit sommergrippe-ähnlichen Symptomen.
Sind Mücken überhaupt zu irgendwas gut?
Natürlich sind Mücken auch zu etwas gut. Sie sind ein wichtiges Glied in der Nahrungskette: die Eier, Larven und erwachsenen Tiere sind Futter für andere Insekten, Spinnen, Vögel, Fische und weitere Insektenfresser.