Der Absturz von Air France AF 447 ist nicht nur die größte Katastrophe der französischen Fluggesellschaft, er ist zugleich auch einer der rätselhaftesten in der Geschichte der Luftfahrt überhaupt. Spezial-Unterseeboote entdecken Unglücksmaschine zwei Jahre nach dem Absturz in 4000 Metern Tiefe. Der Flugschreiber ist noch nicht geortet. Hinterbliebene sind erleichtert.
Paris.
„Endlich!“, atmet Bernd Gans erleichtert auf. „Jetzt kann das Unglück womöglich doch noch aufgeklärt werden.“ Bald zwei Jahre, nachdem der Air-France-Airbus A330 nahe der brasilianischen Küste in den Atlantik stürzte und alle 228 Menschen an Bord in den Tod riss, haben Experten das Wrack gefunden. Es lag unweit der Position, an der der Funkkontakt am Pfingstmontag 2009 abgerissen war. Es ist eine überraschende Nachricht – für Hinterbliebene wie Bernd Gans, der den Tod seiner Tochter Ines (30) beklagt, sogar eine kleine Sensation.
Der Absturz von Air France AF 447 ist nicht nur die größte Katastrophe der französischen Fluggesellschaft, er ist zugleich auch einer der rätselhaftesten in der Geschichte der Luftfahrt überhaupt. Doch nun hofft die französische Flugunfallbehörde BEA das Geheimnis von AF 447 vollständig lösen zu können. Zwar haben Hightech-Unterseeboote bis jetzt nur Teile der Passagierkabine, der Triebwerke und der Tragflächen gefunden. Doch die Chancen, in einer weiteren Suchaktion endlich die im Heckteil befindlichen Flugschreiber zu entdecken, sind sprunghaft gestiegen. Die sogenannte „Black Box“ enthält neben dem Flugdatenschreiber auch die Cockpit-Sprachaufzeichnung – beide können Aufschluss über das Drama geben, das sich in den letzten Minuten an Bord abgespielt hat.
Angehörige hoffen auf Aufklärung
Besonders unter die Haut geht den Angehörigen die Mitteilung der französischen Verkehrsministerin Nathalie Kosciusko-Morizet. Denn diese bestätigte am Montag, dass in der Kabine auch die Leichen von Passagieren gefunden worden seien. Und sie fügte Unglaubliches hinzu: „Ihre Identifikation ist möglich.“ 216 Passagiere und zwölf Besatzungsmitglieder befanden sich an Bord des Fluges Rio-Paris, bislang wurden erst 51 Opfer gefunden. Letztere wurden offenbar aus der Maschine geschleudert, als der Airbus aus 11 000 Meter Flughöhe mit der 36-fachen Erdbeschleunigung flach auf das Wasser aufschlug. Über 150 Passagiere sind hingegen in die Tiefe gerissen worden. Wie viele Leichname sich in den nun in 4000 Meter Tiefe gefundenen Wrackteilen befinden, ließ Staatssekretär Thierry Mariani offen. „Bestimmte Details halten wir aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen zurück“, sagte er.
Letztere sind auf die französischen Behörden nicht gut zu sprechen. Auch das Image von Air France und des Flugzeugherstellers Airbus lässt zu wünschen übrig. Der Grund: Viele werfen den Beteiligten vor, zu verzögern oder gar zu vertuschen. Auch Bernd Gans, der Sprecher des deutschen Hinterbliebenenverbandes, äußerte mehrfach den Verdacht, dass „nicht zielgerichtet“ ermittelt werde.
28 Deutsche befanden sich an Bord des Airbus
An Bord von AF 447 befanden sich Passagiere und Flugbegleiter aus 32 Ländern, darunter 28 Deutsche, 72 Franzosen und 59 Brasilianer. Trotz des spektakulären Sucherfolgs hält sich das Vertrauen der Hinterbliebenen in die französische BEA weiterhin in Grenzen. Gans: „Wir verlangen, dass auch die amerikanische Flugunfallbehörde NTSB in die Ermittlungen eingeschaltet wird.“ Begründung: Die Amerikaner hätten weltweit die größte Erfahrung bei der Aufklärung von Flugzeugabstürzen.
Bernd Gans zufolge ist die Suchaktion, die jetzt überraschend zum Erfolg führte, vor allem auf Druck der fünf Hinterbliebenenverbände gestartet worden. „Im vergangenen Oktober ist die Aktion noch abgelehnt worden“, berichtet der frühere Daimler-Manager. Letztlich hätten sich Airbus und Air France dann doch bereiterklärt, die vierte, rund 9,5 Millionen Euro teure Suchaktion finanzieren zu wollen.
Ausschlaggebend für die erfolgreiche Suche waren auch die drei Spezial-Unterseeboote, die den zerklüfteten Meeresboden systematisch absuchten. Eines davon gehört dem Institut für Meereswissenschaften der Uni Kiel. Die zigarrenförmigen U-Boote sind nur vier Meter lang, aber vollgepackt mit Hightech, sie können bis zu 6000 Meter tief tauchen. „Wir können mit dem Gerät Gegenstände von der Größe eines Schuhkartons erkennen – kein anderes System ist in diesen Tiefen genauer“, sagte der Kieler Meeresbiologe Klas Lackschewitz.