Columbus. Anwälte von einem Todeskandidaten bezichtigen den US-Staat Ohio eines „Menschenexperiments“. Grund ist eine neue Giftsubstanz, die diesen Dienstag erstmals zum Einsatz kommen soll. Kritiker befürchten größere Qualen für Todeskandidaten.
Der Fall hatte weltweit für Entsetzen gesorgt. Nach zwei Stunden menschenunwürdiger Qualen brachen Justizmitarbeiter vor drei Monaten im US-Bundesstaat Ohio ihren Versuch ab, den wegen Mordes verurteilten Romell Broom hinzurichten. Es war ihnen nicht gelungen, eine Vene für die Giftspritze zu finden. Broom verließ die Hinrichtungskammer mit zerstochenen Armen und geschwollenen Gliedern. Am Dienstag steht die nächste Hinrichtung in Ohio an. Die Behörden wollen dabei eine bislang unerprobte Methode einsetzen. Kritiker sprechen von einem grausamen Menschenversuch an einem Gefangenen.
Wenn die Justiz nicht noch im letzten Moment einen Aufschub gewährt, wird der Strafgefangene Kenneth Biros am Dienstag im Todestrakt des Gefängnisses von Lucasville seine letzten Stunden verbringen. Ein letztes Essen, dann vielleicht noch ein Gespräch mit einem Seelsorger, dann soll der wegen Mordes an einer Frau verurteilte 51-Jährige zu Tode gebracht werden.
Spritze ins Muskelgewebe
Biros wäre der erste Gefangene in den USA, der nur mit einer einzigen Giftsubstanz hingerichtet würde. Bislang war ein Cocktail aus drei Substanzen üblich: Die erste soll Schmerzen verhindern, die zweite soll die Körpermuskulatur lähmen, die dritte soll Herzstillstand herbeiführen. Kritiker führen an, dass der Todeskandidat bei dieser Methode möglicherweise große Qualen erleidet, diese aber wegen der herbeigeführten Lähmung nicht äußern kann. Problematisch war auch die intravenöse Verabreichung – wie im Fall Broom, wo das Personal auch nach 18 Versuchen keine Vene fand.
Nach der gescheiterten Hinrichtung von Romell Broom ordnete die Justiz in Ohio eine Aussetzung der Hinrichtungen an, um neue Methoden prüfen zu lassen. Kenneth Biros soll am Dienstag der erste Gefangene werden, der nach den Maßgaben des neuen Hinrichtungsprotokolls getötet wird. Eine massive Dosis des Anästhesie-Mittels Thiopental soll bei ihm zum Tod führen. Sollte das Hinrichtungspersonal keine Vene finden, darf es zwei Chemikalien in todbringender Dosis ins Muskelgewebe spritzen – ein Beruhigungsmittel und ein Schmerzmittel. Das neue Protokoll gewährt dem Personal drei Anläufe, um den Verurteilten zu Tode zu bringen.
Wegen der bislang unerprobten Methode sprechen die Anwälte von Biros von einem «Menschenexperiment» und appellierten an Ohios Gouverneur Ted Strickland, die Hinrichtung auszusetzen. «Das neue Protokoll setzt Mittel und Methoden ein, die niemals zuvor in den USA oder einem anderen zivilisierten Land eingesetzt wurden», heißt es in dem Antrag. Die Anwälte argumentieren, dass dies gegen das in der US-Verfassung verankerte Verbot von «grausamen und ungewöhnlichen» Strafen verstoße.
Der Chef der Strafvollzugsbehörde in Ohios Hauptstadt Columbus, Terry Collins, wirft den Anwälten von Biros «Vernebelungstaktik» vor. Das zur Hinrichtung vorgesehene Mittel Thiopental sei schon allein dadurch ausreichend erprobt, dass es in Krankenhäusern als Anästhetikum eingesetzt wurde, sagt Collins, der 31 der 32 seit 1999 in Ohio vollstreckten Hinrichtungen beaufsichtigte. «Das ist kein experimentelles Mittel», sagt er. (AFP)