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Nicholas Müller: „Ich hatte Angst, auf die Bühne zu gehen“

Nicholas Müller: „Ich hatte Angst, auf die Bühne zu gehen“

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Nicholas Müller bei einem Auftritt 2012. Foto: dpa/Archiv
Wegen einer Angststörung hat Sänger Nicholas Müller vor einem Jahr seine Band Jupiter Jones verlassen. Ein Interview über das Ende eines Traums.

Dortmund. 

Nicholas Müller ist wieder da. Vor einem Jahr verließ der 33-Jährige seine Band Jupiter Jones. Er leide unter Angststörungen, könne nicht mehr, wolle nicht mehr. Fans und Medien waren überrascht, auch ein bisschen ratlos: Ein junger Mann beendet freiwillig seinen Traum, weil er Angst hat?

Damals hatte er keine Kraft, sich länger zu erklären. Heute, nach einer erfolgreichen Therapie, holt er das nach und hat der Interviewzeitschrift „Galore“ ein ausführliches Interview gegeben, das wir in Auszügen veröffentlichen. Er will damit erreichen, dass man seine Angststörung als das betrachtet, was sie nun einmal ist: eine ganz normale Krankheit.

Nicholas Müller, wie geht es Ihnen?

Gut. (überlegt kurz) Doch, doch, mir geht’s sehr gut.

Vor genau einem Jahr haben Sie mit den Worten „Ich kann nicht mehr“ wegen Ihrer Angststörung den Ausstieg bei Ihrer Band Jupiter Jones verkündet. Wie ging es Ihnen damals?

Bei uns in der Eifel sagt man: „Beschissen wäre geprahlt.“ Ich hatte so einige Tiefpunkte in den letzten Jahren. Dieser Moment gehört in die Top Drei.

Was hat ihn so schlimm gemacht?

Wir waren als Band zwölf Jahre lang zusammen, haben getourt und an unserer Musik gearbeitet – kurz: Die Band, das war mein Leben. Ich habe die Jungs in manchen Monaten häufiger gesehen als meine Frau. Und als vor einiger Zeit meine Oma und meine Mutter sehr schnell hintereinander gestorben sind, war die Band tatsächlich so etwas wie eine Ersatzfamilie. Dann festzustellen, nicht mehr Mitglied dieser Band sein zu können und damit auch nicht mehr sein zu wollen – das ist ein unfassbar leerer Moment.

Welche Symptome Ihrer Krankheit haben dazu geführt, dass Sie nicht mehr konnten?

Ich trage diese Krankheit schon ein paar Jahre spazieren. Meine Angst und ich, wir sind jetzt fast zehn Jahre zusammen. Wenn die Angst kommt, dann ist das ungefähr so, als wenn man mit einem Auto mit 130 Sachen unkontrolliert auf eine Mauer zurast. Panik, Todesangst. Nur nicht eine oder zwei Sekunden lang, sondern ausgedehnt auf eine halbe bis Dreiviertelstunde und fünfmal so intensiv. Es ist der Horror. Und je häufiger man unter diesen Attacken leidet, desto größer wird die Angst vor der Angst.

Wie hat sich die Krankheit in den vergangenen Jahren entwickelt?

In den ersten Jahren war es immer dann okay, wenn ich mit den Jungs unterwegs war. Die Angst kam dann nicht, die Depressionen, die mit ihr einhergehen, blieben aus. Mit der Band war mein Leben in Ordnung. Stand jedoch mit Jupiter Jones gerade nichts an, war nichts mehr in Ordnung.

Zum InterviewmagazinMit Ende 20 musste ich dann einsehen, dass ich mein Leben nicht mehr alleine meistern konnte. Ich bin vor sechs Jahren zurück zu meinem Vater gezogen, weil ich jemanden brauchte, der sich um mich kümmerte. Ich mag meinen Vater sehr gerne, aber ihm als erwachsener Sohn diese Bürde aufzuhalsen – das war furchtbar. Alle anderen Leute in meinem Umfeld fingen mit Ende 20 an, ein komplett selbstbestimmtes Leben zu führen, eigene Familien zu gründen. Und ich habe Angst und ziehe zurück zu Papa. Aber wie gesagt: Es gab damals immerhin noch das Zusammensein mit der Band.

Ab wann funktionierte auch das nicht mehr?

Als ich die erste Panikattacke auf der Bühne hatte. Viele Jahre lang war das mein einziger angstfreier Raum. Als sich das änderte, traf mich das wie ein Hammerschlag: Die Angst hatte sich nun auch in den Teil meines Lebens geschlichen, in dem ich meinen Traum lebte.

[kein Linktext vorhanden]Mit der ersten Panik auf der Bühne war in meinem Speicher festgeschrieben: Sie findet auch den Weg hierhin. Seitdem hatte ich Angst, auf die Bühne zu gehen. Angst, mich überhaupt in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die letzten zwei Jahre in der Band waren von großer Unsicherheit und Zweifeln geprägt. Auf meiner Seite, aber natürlich auch bei den Jungs.

Was hat denn das, was Sie als Hammerschlag umschreiben, ausgelöst?

Schwer zu ergründen, eine hundertprozentige Antwort habe ich nicht. (überlegt) Vielleicht war es zu schnell zu viel. Ich bin ein entschleunigter Mensch, der Typ, der bei gutem Wetter sagt: „Die 80-Kilometer-Radtour durchs Münsterland muss nicht sein, der Garten reicht auch.“ Mit zunehmendem Erfolg stellte ich höhere Erwartungen an mich selbst. Ich musste immer schneller und häufiger Entscheidungen treffen – auch das könnte mich belastet haben.

Wobei mir eine Sache sehr wichtig ist: Ich bin kein Opfer des Showgeschäfts. Mich hat nicht das Business krank gemacht. Klar, es gab Momente, da habe ich mich nicht wohlgefühlt, bei Glitzer-Schischi-Bussi-Events zum Beispiel, auf denen man zwangsläufig irgendwann landet, wenn man einen Hit hatte. Aber da muss man halt die Zähne zusammenbeißen, und wenn die Fotografen einen anschreien, man solle verdammt noch mal lächeln, dann schreit man halt zurück. Das war meine Strategie. Es gibt von mir mehr Fotos vom roten Teppich, auf denen ich schreie, als welche, auf denen ich lächele.

Das komplette Interview ist nachzulesen in der aktuellen Ausgabe der „Galore“. Die Interviews erscheinen in Form eines zehnmal im Jahr erscheinenden gedruckten Magazins, eines digitalen Magazins, das für iOS und Android verfügbar ist, sowie auf der Website galore.de.