Spott im Netz, Kritik aus der Wissenschaft: Was heißt es, wenn sich alle 11 Minuten ein Single verliebt? Teile der Antwort enttäuschen.
Hamburg.
Parship muss wirklich verliebt sein. Die Online-Partnervermittlung will sich nicht trennen von einem Satz — zumindest vorerst nicht: „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single auf Parship“ heißt es auch weiterhin in der Werbung. Dabei ist der Spruch gerade von einem Ökonomen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zur fragwürdigen „Unstatistik des Monats“ gekürt worden. Bei Facebook spricht ein Kommentator schon davon, dass es eigentlich heißen müsste: „Alle 78 Jahre verliebt sich ein Single beim Paarschippen“.
Seit Mitte 2012 wollen mehrere Wissenschaftler mit dem Anti-Preis „Unstatistik des Monats“ dazu beitragen, mit Daten und Fakten vernünftig umzugehen und „in Zahlen gefasste Abbilder der Wirklichkeit korrekt zu interpretieren“. Das hat Professor Thomas Bauer auch beim Liebesversprechen versucht. Er urteilt: „Mit etwas Wahrscheinlichkeitsrechnung entpuppt sich diese Aussage als Anti-Werbung.”
Aber zur Liebe braucht es doch zwei?
Es spricht einiges dafür, dass die Botschaft den Unstatistik-Titel verdient. Aber das hat nicht unbedingt etwas mit der Rechnung des Professors zu tun, der sich zu sehr mit Zahlen beschäftigt. Bauer stellt zunächst wie andere vor ihm lebenserfahren fest, dass es noch kein Erfolg ist, wenn sich nur ein Mensch verliebt.
Also hinterfragt er stattdessen die Aussage, „alle 11 Minuten fände sich auf der Vermittlungsplattform ein neues Paar”. Das behauptet Parship aber überhaupt nicht.
Die Erklärung für die Zahl aus der Werbung hat etwas mit schnödem Mammon zu tun. Wenn Parship-Nutzer nicht länger für eine Premium-Mitgliedschaft zahlen wollen, werden sie nach dem Grund gefragt. Ergebnis: 2013 erklärten 48.000 Nutzer das Ende ihrer kostenpflichtigen Mitgliedschaft damit, dass sie sich auf Parship verliebt haben. Hochgerechnet trennte sich alle 11 Minuten ein Parship-Nutzer von seiner Premiummitgliedschaft mit der Begründung, fündig geworden zu sein. So klingt das weniger romantisch.
Statistiker: Zwei Prozent Wahrscheinlichkeit
Und was macht der Statistiker daraus? „Selbst wenn sich bei geschätzten rund 5 Millionen Mitgliedern in Deutschland sogar alle 10 Minuten zwei davon ineinander verlieben, damit aus dem Sucherpool ausscheiden und durch zwei neue Singles ersetzt werden, beträgt für ein zufällig ausgewähltes Mitglied die Wahrscheinlichkeit einer neuen Liebe pro Jahr kaum mehr als zwei Prozent.” Vor ihm haben andere schon ähnlich gerechnet:
Aber das ist auch bei richtiger Rechnung eine Unstatistik. Denn aus Parships Werbespruch lässt sich nur für Premiummitglieder eine Aussage treffen. Und die machen nur einen kleinen Teil der Gesamtheit aus. Sprecherin Marie-Christine Marx versichert zwar, die Gesamtzahl der Mitglieder, die mit Parship suchen, sei „selbstverständlich ein wichtiger Indikator für den Erfolg unseres Services“. Aber: Die 11 Minuten sind ermittelt anhand der ausgeschiedenen Premiummitglieder.
Wer nicht zahlt, wird sich nicht verlieben
Nichtzahlende Mitglieder haben nicht rund zwei Prozent, sondern fast Null Prozent Aussicht, sich zu verlieben. Wie auch — ein Kostenlos-Mitglied kann andere gar nicht persönlich anschreiben und auf eine Nachricht eines Premiummitglieds nur ein einziges Mal antworten. Das merkt der Single nach dem langwierigen Anmeldeprozess, in dem er sein zunächst quasi nutzloses Profil für das Matching zusammenstellt. Dann sieht er, wessen Bilder er sehen und wen er mit einer persönlichen Nachricht kontaktieren könnte – als zahlendes Mitglied. Das ist bei Parship, Testsieger bei Stiftung Warentest, nicht anders als bei anderen kostenpflichtigen Wettbewerbern.
Die Lektion lautet: Investiere nur Zeit, wenn Du auch Geld investieren willst. Dann könntest Du auch zu den 38 Prozent gehören, die laut Parship mit der Begründung „fündig geworden“ nicht länger zahlen wollen. Wenn 48.000 Nutzer 38 Prozent bei der Erhebung waren, dann beendeten 2013 gut 78.000 Singles die kostenpflichtige Suche ohne Erfolgsmeldung. Nach Parship-Logik: Alle acht Minuten beendet ein Single die Premium-Mitgliedschaft ohne eine Spur Verliebtheit.
Stimmen die 11 Minuten 2016 noch?
Und dann ist fraglich, ob die Zahl von 11 Minuten im Jahr 2016 überhaupt noch stimmt. Geht inzwischen alle 14 Minuten ein vorgeblich verliebter Premiumkunde? Und wäre das vielleicht prozentual sogar eine bessere Quote, wenn es inzwischen weniger Premiummitglieder gibt? Ist die Aussagekraft verwischt durch die Abenteurer, die zur Dating-App Tinder abgewandert sein könnten und dort eine bedarfsgerechte Plattform gefunden haben?
Bei der Frage nach Mitgliederzahlen liebt Parship die Diskretion. „Wir arbeiten stets mit möglichst aktuellen Zahlen und werden auch diese sicher in absehbarer Zukunft aktualisieren”, erläutert die Sprecherin. Der Claim und die Kampagne seien aber nach wie vor sehr erfolgreich, besonders die Zahl mache Eindruck. „Sie hat vielen Menschen deutlich gemacht, wie erfolgreich die Partnersuche mit Parship ist und dass Online-Partnersuche ein echter Chancenerhöher ist.“