Mannheim.
Die Polizistinnen, die das mögliche Opfer imKachelmann-Prozess vernommen haben, belasten den Angeklagten. Die Beamtinnen hätten keine Zweifel an der Aussage der Frau: „Sie war fertig, völlig fertig“. Die Verteidigung spricht von „gewaltiger Lüge“.
Im Vergewaltigungsprozess gegen Jörg Kachelmann haben am Mittwoch zwei Polizeibeamtinnen ausgesagt. Sie hatten das mögliche Opfer als erste vernommen. Beide Beamtinnen sagten vor der 5. Großen Strafkammer aus, dass sie keine Zweifel an den Angaben der 37-jährigen Radiomoderatorin hatten. Auf die Frage eines Richters. „Hatten Sie das Gefühl, da stimmt etwas nicht?“, antwortete die 59-jährige Kripo-Beamtin: „Das Gefühl hatte ich eigentlich überhaupt nicht.“
Die Polizistin gab an, in ihrer Tätigkeit seit 1978 auch schon Falschanschuldigungen von Frauen erlebt zu haben. Bei der Ex-Freundin Kachelmanns hatte sie solch einen Verdacht nicht. Sie hatte das mögliche Opfer morgens ab 9 Uhr und dann noch einmal am Nachmittag vernommen. Die Tat soll sich nach Mitternacht ereignet haben. Die Kripo-Beamtin schilderte auch, dass ihr die Frau den Namen Kachelmann erst nach entsprechender Aufforderung nannte.
Die Hauptbelastungszeugin selbst soll erst im Oktober vernommen werden. Kachelmann bestreitet alle Vorwürfe und spricht von einer einvernehmlichen Trennung nach einem Beziehungsstreit. Die Verteidigung sieht einen Racheakt der Frau, nachdem sie von der Untreue ihres langjährigen Freundes erfahren hatte.
„Das war mehr als nur übernächtigt“
Die zweite Kripo-Beamtin gab am Mittwoch vor dem Landgericht Mannheim an, sie habe bei der Frau keinen Verfolgungseifer bemerkt. „Sie war fertig, völlig fertig“, sagte die Polizistin. Das Gesicht des möglichen Opfers sei am Morgen „fahl gewesen. Das war mehr als nur übernächtigt“, sagte die Polizeizeugin. Als auffällig schilderte sie, dass das mögliche Opfer ihre Todesangst bei einer dritten Vernehmung am 11. Februar detailreich beschrieb. Als sie das Messer am Hals gehabt hätte, habe sie gedacht, sie überlebe nicht. Die Ex-Freundin gab bei ihrer Vernehmung an, sie habe deshalb angefangen zu beten.
Aufgefallen ist der Kriminalbeamtin auch, dass sich der körperliche Zustand der Frau zwischen der angeblichen Tatnacht am 9. Februar bis zu ihrer Videovernehmung am 30. März 2010 deutlich verschlechtert hatte. Sie habe bei ihrer Videovernehmung die Beine nicht mehr stillhalten können.
Verteidigung zieht Sachverständigen zurück
Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock sprach auch am 5. Verhandlungstag von „einer gewaltigen Lüge der Anzeigenerstatterin“. Sicher ist, dass das Opfer ursprünglich die Entdeckung von Kachelmanns Untreue der Polizei falsch erzählt hatte. Sie hatte ursprünglich angegeben, eine Flugticketkopie mit einem Brief anonym erhalten zu haben. Das Ticket sei auf Kachelmann und eine andere Frau ausgestellt gewesen, dazu ein Schreiben „Er schläft mit ihr.“ Dieses Schreiben hat das mögliche Opfer aber selbst geschrieben, um Kachelmann damit am 9. Februar zu konfrontieren. Das fand die Staatsanwaltschaft später heraus. Sie geht aber dennoch davon aus, dass die Angaben zum Tatgeschehen zutreffen.
Sicher ist indessen, dass der Prozess bis weit in den Dezember dauert. Die Strafkammer hat jetzt offiziell neun weitere Verhandlungstermine bis zum 21. Dezember anberaumt.
Die Verteidigung zog überraschend einen ihrer Sachverständigen zurück. Professor Tilman Elliger, der in einem Gutachten die Aussage des angeblichen Opfers angezweifelt hat, nahm bereits am Mittwoch nicht mehr am Prozess teil. Als Grund gaben die Verteidiger an, ein inzwischen vom Gericht bestellter Gutachter komme zum gleichen Ergebnis wie Elliger, man verzichte deshalb erst einmal auf ihn.
Die Staatsanwaltschaft hatte Elliger als befangen ablehnen wollen, unter anderem weil er Kachelmann nach dessen Haftentlassung im Restaurant getroffen hatte. Dieser Antrag entfällt nun, allerdings muss das Gericht noch über den Befangenheitsantrag der Anklage gegen eine weiteren Gutachter Kachelmanns entscheiden.
Am Nachmittag wurde die Öffentlichkeit erneut ausgeschlossen, weil die am Flughafen bei der Verhaftung anwesende Freundin noch einmal in den Zeugenstand musste. Der Prozess, bei dem es inzwichen wieder leere Plätze im Zuschauerraum gibt, wird am Montag fortgesetzt. (dapd)