Einem Bielefelder Professor wurden sexuelle Nötigung und sogar eine Vergewaltigung vorgeworfen. Die Universität suspendierte den Hochschullehrer. Jetzt soll der 55-Jährige an die Uni zurückkehren. Studenten gehen gegen die Entscheidung auf die Barrikaden.
Bielefeld.
Sexuelle Verhältnisse mit Abhängigen, Machtmissbrauch, Ungleichbehandlung von Studenten, zuletzt sogar sexuelle Nötigung und Vergewaltigung – die Vorwürfe, mit denen sich ein Professor der Universität Bielefeld konfrontiert sieht, wiegen schwer.
Die Hochschule suspendierte den Mann, doch auch nach fast zwei Jahren stehen die Anschuldigungen noch im Raum. Trotzdem soll der Dozent (55) zum Sommersemester in den Lehrbetrieb zurückkehren. Studentinnen, Frauen- und Opferschutzorganisationen gehen auf die Barrikaden.
Seit 2007 schwelt der Konflikt: Ein studentisches Mitglied der Gleichstellungskommission beschwert sich schriftlich über das Verhalten des Professors. Öffentliches Knutschen mit Studentinnen sei an der Tagesordnung. Studentinnen, die in sein „Beute-Schema“ passten, würden bevorzugt behandelt, andere „schnellstmöglich abgefertigt“. Ein Asta-Mitglied nennt die Vorliebe des Professors für hübsche Studentinnen ein „offenes Geheimnis“: „Er wurde häufiger in Begleitung von Studentinnen gesehen, aber das können Außenstehende schlecht verbieten.“ Das Verhalten des Hochschullehrers war so auffällig, dass es „Reaktionen von Seiten der Uni“ gegeben habe, so Unisprecher Hans-Martin Kruckis.
2009 kommt es zum Eklat: Eine 27-jährige Doktorandin, die nach eigenen Angaben bisher ein enges freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Professor hatte, zeigt ihren Mentor wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung an. Er spricht von Verleumdung und einer einvernehmlichen Beziehung. Im November stellt die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aus Mangel an Beweisen ein. Es steht Aussage gegen Aussage.
Die Doktorandin stellt sich einer Glaubwürdigkeitsprüfung
In einem Disziplinarverfahren verurteilt das Verwaltungsgericht Münster den suspendierten Professor schließlich zu einer Geldbuße. Verteidiger Johann Wegener gibt zwar an, alle Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Doch eines konnte zweifelsfrei festgestellt werden: Der Doktorvater hat sich zu einem „Nähe-Verhältnis“ hinreißen lassen. Laut Gericht hat er „die berufliche und private Ebene unangemessen miteinander verbunden“. Weil darunter die Objektivität leide, habe er gegen seine Pflichten als Professor verstoßen, so der Anwalt der Doktorandin, Thorsten Giesecke. Verschiedene Frauen- und Opferschutzorganisationen halten das Urteil für ausreichend, um die Universität in einem offenen Brief dazu aufzufordern, den Professor „nicht mehr auf Schutzbefohlene loszulassen“. Die Fronten sind klar: Die betroffene Doktorandin stellt sich einer Glaubwürdigkeitsprüfung, um neue strafrechtliche Ermittlungen zu erzwingen. Die Universität hebt die Suspendierung auf. Und die Studenten in Bielefeld starten Flugblattaktionen, um schon vor der Rückkehr des Professors zum Boykott seiner Lehrveranstaltungen aufzurufen.
„Ich fühle mich von der Uni nicht ausreichend geschützt. Und die Ungleichbehandlung wird weitergehen“, so eine Studentin. Kruckis hingegen verweist auf Vorgaben, an die sich der Professor künftig zu halten habe – um eine „Verquickung von Privatem und Dienstlichem zu verhindern“.