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Anne Will (ARD): Ruhrpott-Klartext statt Politiker-Phrasen! Duisburger tanzt aus der Reihe

Da lohnt sich das Einschalten: Abdul Chahin aus Duisburg belebt den ARD-Talk von Anne Will am Sonntagabend.

Israel-Talk bei Anne Will mit Abdul Chahin
© IMAGO / Jürgen Heinrich

Bundesbeauftragter: Judenhass so stark wie seit Jahrzehnten nicht

Der Hass gegen Juden in Deutschland ist laut dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, auf einem so hohen Niveau wie seit Jahrzehnten nicht. Seit dem 7. Oktober wurden mindestens 2000 Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt gezählt, sagte Klein in Berlin.

Nachdenklich, ausgewogen – und trotzdem mit Klartext durch seinen Ruhrpott-Slang: Abdul Chahin belebt am Sonntagabend die Runde bei Anne Will. Der 31-jährige Duisburger kam mit neun Jahren als Asylbewerber nach Deutschland. Jetzt spricht er über seine Perspektive auf den Krieg in Israel (mehr auf der Themenseite).

In der ARD-Talkrunde macht er sich stark für die palästinensische Zivilbevölkerung. Auch wenn man ihm nicht bei jedem Argument folgen muss – seine Art sorgt dafür, dass man als TV-Zuschauer dran bleibt. Statt durchgekauter Politiker-Phrasen gibt es authentische Pott-Sätze.

Duisburger in ARD-Talk: „Wenigstens eine kleine Chance zu überleben“

„Ohne jetzt einen auf Geostratege oder Militärexperte zu machen“, ordnet Chahin seine Sicht auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas ein. „Terror und Krieg in Nahost – wie kann das enden?“, will Anne Will von ihren Gästen wissen. Für den Stand-up-Comedian und Poetry Slamer ist klar: Nicht mit noch mehr Bomben.

Abdul Chahin bezweifelt, dass die international vernetzte Terror-Organisation Hamas so überhaupt besiegt werden kann. Es sei ein „Kampf gegen Geister“. Die Hamas operiere im Untergrund, in einem weit verzweigten Tunnelsystem. Der Kollateralschäden, der verursacht werde, sei zu hoch. „Es wird zu wenig über die Relation gesprochen“, findet er.

Chahin hat selbst Verwandte im Kriegsgebiet – und berichtet in der ARD-Show eindrücklich davon, dass die nun zwischen den Fronten feststecken. Seine Angehörigen wollten zwar aus Gaza-Stadt in den Süden flüchten, seien aber „auf halbem Weg wieder zurück“. Aussichtslos sei es gewesen: „Da ist eh alles überflutet von Menschen, die nicht versorgt werden können.“ Deswegen seien sie nun wieder in Gaza-Stadt und „rennen auf die Straße und versuchen nicht getroffen zu werden“, wenn sie Raketen hören. „Wenn man Glück hat und auf der Straße ist, bevor ein Gebäude hochgebombt wird, hat man wenigstens vielleicht eine kleine Chance zu überleben.“

Israel-Talk bei Anne Will: „Märtyrertod, Milizen und wat weiß ich wat!“

Die Wurzel des Problems liegt für den Duisburger in der jahrzehntelangen Perspektivlosigkeit der Palästinenser: „Keine Aussicht so richtig auf einen eigenen Staat, Selbstbestimmung, Diskriminierung, wat auch immer, ne!“ Es seien menschenunwürdige Verhältnisse. Hier kommt Widerspruch von der deutsch-israelischen Unternehmerin Jenny Havemann, die ebenfalls bei Anne Will zu Gast ist. Fast 30.000 Menschen aus Gaza hatten vor dem 7. Oktober eine Arbeitserlaubnis in Israel. „Die hatten ja eine Perspektive“, konnten dort Geld verdienen, so Havemann. Doch viele seien, wie nun ermittelt werden konnte, verstrickt gewesen in die Terrorpläne vom 7. Oktober.

++ Passend dazu: Israelische Soldaten filzen Kinderzimmer – abartig, was die Hamas dort zurückgelassen hat +++

Dennoch betont Chahin in der ARD-Sendung immer wieder das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung. Wolle man nun 500.000 Menschen opfern, um die Hamas zu schlagen, obwohl es dafür nicht mal eine Garantie gebe? „Der Punkt wird hier viel zu klein dargestellt, dat man ne neue Generation an Leuten in der Welt und vor allem in Gaza hat, die sagen: Ey, ich geh‘ militant an die Sache ran. Märtyrertod, Milizen und wat weiß ich wat!“, so der Ruhrpott-Mann.

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Grünen-Chef Omid Nouripour will das nicht so stehen lassen: „Die Israelis sagen ja nicht, wir haben eine Zahl von Leuten, die wollen wir umbringen. Die Israelis beschießen Raketenstellungen und die Hamas stellt sie auf Krankenhäuser, auf Kindergärten, auf Schulen. Und das ist das Thema.“ Chahin kontert: „Richtig, aber es sterben diese Zivilisten schlussendlich. Ich verstehe ja diesen Punkt. Ich will da gar nicht gegen angehen. Aber die Menschen sterben und sie werden in Scharen weiter sterben.“

+++ Auch interessant: Netflix: Trauer beim „Fauda“-Team – Matan Meir in Gaza getötet +++

Der Nahost-Konfikt „is dat große Derby“

Chahin, der sich in der politisch-historischen Bildungsarbeit engagiert, musste selbst einen Prozess durchmachen in seinem eigenen Verhältnis zu den Juden. Bei seinem ersten Besuch in Auschwitz habe er lernen müssen: „Ich bin den Juden viel näher, als mir zu diesem Zeitpunkt lieb war.“


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Was ihn Sorgen bereitet: Die Toleranz bei jungen Muslimen auch in Deutschland gegenüber extremen Stimmen sei gestiegen. Zwar seien nur wenige selbst radikal eingestellt, würden aber solche Meinungsäußerungen dulden (bei einer Demo in Berlin wurde ein Mann von seinem Nachbarn bedroht, weil er eine Israel-Flagge zeigte). Und dann macht er wieder einen Vergleich, den man sonst bei Anne Will nicht hören würde: „Der Nahost-Konflikt is so dat große Derby. Der große Klassiker. Barcelona gegen Madrid, el Classico.“