Er war das Enfant terrible der deutschen Comedy-Szene: Ingo Appelt. Mit 54 Jahren ist der gebürtige Essener ein wenig ruhiger geworden, wie er im Interview mit dieser Redaktion erzählt.
Und doch: Seine Bissigkeit hat Ingo Appelt noch lange nicht verloren –ein Gespräch über sein neues Programm, die Beziehung zwischen Mann und Frau und das Internet.
Ihr neues Programm heißt „Der Staats-Trainer“. Sind Sie mehr Jürgen Klopp oder eher Felix Magath?
Ich bin schon der Schleifer. Das Training, das ich anbiete, gilt eher der Frustrationsbewältigung. Ich sag immer: Betreutes Hassen mit Ingo Appelt. Gerade jetzt, nach dieser Pandemiezeit, muss man seinen ganzen Ärger auch einfach mal rausbrüllen.
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Ingo Appelt auf „Der Staats-Trainer“-Tour in NRW:
- 08.07.2021 Schalthaus 101, Dortmund
- 09.07.2021 Schalthaus 101, Dortmund
- 13.07.2021 Mamanuca Beach, Lüdenscheid
- 15.07.2021 Zeche Carl, Essen (Wegen des Unwetters auf den 30. Juli verlegt)
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Sie lassen ihr Publikum aber nicht zwei Stunden lang brüllen?
Nein, es geht um Paargeschichten. Es geht um Männer und Frauen. Das ist noch immer das Wichtigste. Ich glaube, das wird sich auch nie ändern. Wir Menschen betrachten gerne Menschen. Wir hassen aber auch gerne Menschen. 95 Prozent der Menschen finden 90 Prozent der Menschen völlig bekloppt, total bescheuert und widerwärtig. Aber wir interessieren uns unglaublich füreinander. In den zwei Stunden dürfen mich die Leute hassen, mich auspfeifen, einfach mal den Ärger rauslassen und wenn wir nach Hause gehen, wird es uns allen besser gehen.
In der Pandemie haben sich Menschen als Komiker qualifiziert, von denen man das so nicht erwartet hatte. Haben Sie Angst, dass man Ihnen den Rang abläuft?
(Lacht) Nein, das ist unfreiwillige Komik. Echte Komik ist da noch ein gewaltiger Unterschied. Darum geht es auch in der Comedy: Wir setzen uns mit unserer eigenen Peinlichkeit auseinander. Mit unserer eigenen Blödheit. Wir Menschen sind vor allem eines: Extrem. Und gerade das Internet führt dazu, dass wir wegen jedem Scheißdreck noch radikaler werden.
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Zum Beispiel?
Das fängt schon bei Klamotten an. Die Schuhe gehen ja gar nicht zu dem Rock, morgen schicken wir dir ein Todeskommando. Es wird immer furchtbarer. Aber so sind wir Menschen. Wir sind sehr schnell herablassend und böse. Was ich bei meinen Shows mache, ist auch nicht immer politisch korrekt, aber ich gehe damit einem Augenzwinkern ran. Comedy ist dazu da, um in einem erlaubten Rahmen die Sau rauszulassen.
Sie waren schon immer sehr radikal. Mussten Sie ihre Inhalte verschärfen, eben weil die Menschen durch das Netz mehr abstumpfen?
Nein, ich habe eher runtergedreht. Ich war früher die größere Drecksau. Ich gucke viel mehr als früher, was geht und was nicht geht. Ich achte sehr genau darauf, wie weit ich mit meinem Publikum gehen kann. Und das funktioniert sehr gut.
Gibt es trotzdem noch Momente, wo sie ihr Publikum überfordern?
Das passiert Gott sei Dank sehr selten, dass mal einer aufsteht und geht. Das ist mir vielleicht zwei Mal in 35 Jahren passiert. Ich merke allerdings, dass die Streitkultur sich sehr geändert hat. Als ich angefangen habe, das war so 1991, spielte ich in Bayern in einem Brauhaus. Danach habe ich mich ins Publikum gesetzt und wir haben noch zwei Stunden über das Programm diskutiert. Danach ist man trotzdem noch gut gelaunt nach Hause gegangen. Das fehlt. Wir müssen lernen, dass wir uns nicht einfach umdrehen und gehen, sondern auch mal etwas aushalten und tolerieren. Das ist unheimlich wichtig.