Seit Februar 2021 ist Stefanie Reinsperger im Dortmunder „Tatort“ als Hauptkommissarin Rosa Herzog zu sehen. Vor ihrem ersten Einsatz hatte die 34-Jährige großen Respekt. Denn: Die Österreicherin hat keine Modelmaße und die „Tatort“-Zuschauer gelten als äußerst kritisch.
Doch Stefanie Reinsperger ist es leid, sich für ihr Aussehen schlecht fühlen zu müssen, wie sie in ihrem Buch „Ganz schön wütend“ deutlich macht. Im Interview mit dieser Redaktion spricht die Schauspielerin über abscheuliche Zuschauerreaktionen und unterstützende „Tatort“-Kollegen.
DerWesten: Frau Reinsperger, wie oft denken Sie noch an Ihre Zeit am Düsseldorfer Schauspielhaus zurück?
Stefanie Reinsperger: Ich hätte mir keinen schöneren Berufseinstieg wünschen können! Ich denke da sehr, sehr gerne und viel dran, deswegen finde ich es auch so schön, dass ich beim „Tatort“ in Dortmund bin, wo man viel in Köln dreht. Dadurch bin ich zumindest wieder ein bisschen in der Ecke, wobei mir natürlich bewusst ist, dass man Köln und Düsseldorf gar nicht im selben Satz nennen darf. Das habe ich ganz früh gelernt. (lacht)
In Ihrem Buch „Ganz schön wütend“ beschreiben Sie Ihre Angst vor den ersten Reaktionen der „Tatort“-Fans. Haben Sie das Gefühl, das Theaterpublikum nimmt sie anders wahr als die Zuschauer vorm Fernseher?
Ich glaube, dass der Wandel an Diversität in der Fernsehlandschaft etwas langsamer ist. Im Theater hingegen habe ich von Anfang an alles spielen und sein dürfen. Hinzu kommt, dass das „Tatort“-Publikum auch ein sehr eingefleischtes und besonderes ist. Ich lese auch gar keine Kommentare mehr über mich, weil das einfach beschädigend ist. Im Theater wiederum ist man nicht mit Troll-Kommentaren konfrontiert, sondern hat immer die direkte Reaktion des Publikums.
Wurde Ihre Angst denn bestätigt?
Ja, leider ist diese Internet-Kommentarfunktion nicht zu kontrollieren oder einzudämmen und das ist einfach absolut widerwärtig und abartig, was da teilweise auf Plattformen vorgeht. Facebook habe ich eh schon nicht mehr und bei Instagram habe ich es auch so eingestellt, dass ein Großteil abgefangen wird. Ich bin zum Glück an einem Punkt, an dem ich damit umgehen kann und gar keine Schuld bei mir suche, sondern einfach denke: „Wenn man das Bedürfnis hat, solche widerwärtigen Sachen loszuwerden, habe ich eigentlich nur Mitleid mit diesen Menschen.“ Aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch psychisch schwächere Menschen mit diesen Dingen konfrontiert werden – darunter sehr viele Kinder und Jugendliche – und dem gilt es Einhalt zu gebieten.
Umso wichtiger ist es, dass Sie nun ein deutliches Zeichen gegen Body-Shaming setzen. Wie haben Ihre „Tatort“-Kollegen auf Ihr Buch reagiert?
Also Rick Okon hat es schon vorbestellt. (lacht) Ich habe sehr, sehr lange gar keinem davon erzählt, weil ich es total genossen habe, so einen Prozess nur für mich zu haben, weil meine Arbeit natürlich normalerweise immer im Dialog und Austausch stattfindet – was ich liebe. Aber als ich Rick davon im Zug erzählt habe, hat er es – noch während er neben mir saß – sofort vorbestellt.
Und wie sieht es mit den anderen Kollegen aus?
Jörg Hartmann und ich sind extreme Leseratten. Am Set fragen wir uns ständig: „Was liest du gerade?“ Letztes Jahr habe ich ihm ein Buch empfohlen, in das ich total versunken bin, und habe mich dann wahnsinnig gefreut, als er es auch gekauft und gelesen hat. Als wir jetzt angefangen haben zu drehen, war seine erste Frage, ob ich das neue Buch von der Autorin auch schon habe. Da meinte ich: „Ja, das habe ich schon bestellt.“ Und er hat geantwortet: „Klar hast du das!“ Wir sind eben beide große Literaturliebhaber und Jörg schreibt ja auch selbst – zum Beispiel das Drehbuch zu unserem aktuellen „Tatort“.
Wo wir von den Männern reden: Für männliche „Tatort“-Darsteller wurde der Bierbauch längst enttabuisiert. Bei den Frauen hingegen sieht man stets denselben schlanken Körpertyp. Ist das nicht unfair?
Das ist ja nicht nur beim „Tatort“ so, sondern generell in der Medienlandschaft. Nicht nur bei Schauspieler*innen, sondern auch Moderator*innen, Wetteransager*innen, es ist überall. Es gibt einen langsamen Wandel, über den ich froh bin, aber es gibt noch viel zu tun.
Wurde Ihre Figur denn beim Casting von der ARD thematisiert?
Tatsächlich nicht. Das war auch der Grund, warum ich mich sehr über die Anfrage gefreut habe. Da waren sehr, sehr unterschiedliche Frauen im Rennen bei diesem Casting, also da wurde einfach nach einer guten Schauspielerin gesucht und das sollte immer so sein.
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Im Buch schreiben Sie, dass Sie keine Drehbücher mehr bekommen wollen, in denen Ihre Rolle als „pummelig, wuchtig“ beschrieben wird. Landen diese Texte bei Ihnen jetzt direkt im Mülleimer?
Früher war meine Reaktion totale Kränkung. Aber wenn ich das nur ignorieren oder wegschieben würde, trage ich ja nicht dazu bei, dass sich das Bewusstsein ändert, sondern ich suche den Dialog. Das kostet zwar Kraft, aber ich bekomme unglaublich viel zurück. Ich wünsche mir inständig, dass die Menschen nach mir diesen Kampf nicht mehr führen müssen – und irgendwer muss halt anfangen.