Hannes Jaenicke ist Schauspieler, Synchronsprecher und – das ist wohl seine wichtigste Berufung – engagierter Umweltaktivist. In etlichen Dokumentationen hat sich der 61-Jährige bereits für die Natur und ihren Erhalt eingesetzt. In seiner neuesten ZDF-Dokumentation befindet sich Jaenicke im Einsatz für den Wolf.
Vor der Ausstrahlung der Doku am 25. Mai im ZDF hat sich Hannes Jaenicke mit dieser Redaktion über den Wolf und seine Rückkehr nach Deutschland unterhalten.
Herr Jaenicke, was fasziniert Sie am Wolf?
Sein Sozialverhalten ist unserem unglaublich ähnlich. Und er ist der direkte Vorfahre des beliebtesten deutschen Haustieres, des Hundes. Die Deutschen geben jedes Jahr knapp fünf Milliarden Euro aus, nur für Hundefutter und Hundeaccessoires. Gleichzeitig haben wir aber eine unglaubliche Angst vor deren Vorfahren und der Bundestag hat 2020 entgegen EU-Recht den Abschuss von sogenannten ‚Problem-Wölfen’ erlaubt.
Ich finde die Diskussion rund um den Wolf unglaublich spannend. Die Frage ist doch: Wie viel Natur wollen wir überhaupt noch? Und wieviel Natur lassen wir zu? Eigentlich müsste sich doch jeder freuen, wenn der Wolf wiederkommt. Er ist schließlich Teil eines gesunden Ökosystems. In Deutschland passiert aber genau das Gegenteil, es bricht bei vielen eine hysterische Angst aus.
In Ihrer Doku geben Sie auch Wolfskritikern das Wort. Ein hoher Vertreter des deutschen Jagdverbandes plädierte beispielsweise dafür, Wölfe so lange zu erschießen, bis es in dem jeweiligen Gebiet keine Angriffe mehr auf Nutztiere gibt. Machen Sie solche Positionen wütend?
Wegen Ignoranz oder Dummheit wütend zu werden, halte ich für unproduktiv. Wenn Leute tatsächlich glauben, sie könnten Natur managen, dann haben sie etwas Grundsätzliches nicht verstanden. Wir können Natur nicht managen, wir können nur von ihr lernen. Ein Beispiel: Wir haben in Deutschland eine echte Wildschweinplage. Man hat mittlerweile festgestellt, dass sich Schwarzwild umso schneller vermehrt, je mehr man es abschießt. Das nennt man Evolution. Und wer Evolution nicht versteht, soll nach Hause gehen und nachdenken.
Wundert es Sie, dass solche Aussagen von Jägern kommen, die eigentlich die Natur verstanden haben sollten?
Das ist teilweise eine merkwürdige Klientel. Die sogenannten ‚Auslandsjäger’ glauben ja auch, dass sie, wenn sie nach Afrika fliegen und Großwild jagen, dort tatsächlich zum Naturschutz beitragen. Wenn man sich mal anguckt, wer in Deutschland jagt, dann ist das eine prominente, einflussreiche Klientel von Entscheidern, Mächtigen und Machthungrigen. Eine ziemlich veraltete Loden-Kultur mit leichtem Fascho-Anstrich, vor allem was Sprache und Auftreten betrifft.
Das Problem liegt also in der Jagdlobby?
Und an der Lobby der Nutztier-Halter. Ich glaube, dass ganz viele Schäfer schnell lernen würden, ihre Herde zu schützen. Das machen die Schäfer in Rumänien und Italien ja auch, und dort gibt es eine wesentlich höhere Wolfsdichte. Aber die Jagdlobby sieht den Wolf als Konkurrenten, und insgeheim freuen sich viele Jäger auch, wenn sie mal wieder einen großen Beutegreifer schießen können.
Nun sind es nicht nur Jäger und Viehzüchter, die Sorgen wegen des Wolfs äußern. Es melden sich auch immer wieder Bürger zu Wort, die Sorgen um ihre Kinder haben. Können Sie das nachvollziehen?
Also wer heute noch in Kameras schreit, dass die Wölfe als nächstes unsere Kinder holen, ist hochgradig hysterisch. Wölfe greifen Menschen nicht an. Der Wolf ist pathologisch scheu. Wir haben für die Dokumentation zehn Monate gedreht und nur ein einziges Mal einen Wolf in der Lausitz aus 300 Metern Entfernung gesehen. Wölfe suchen nur die Nähe von Menschen, wenn sie angefüttert oder fehlgeprägt werden. Und das geht immer auf menschliche Fehler zurück. Die Angst vor dem Wolf ist schlicht und ergreifend ein Wissensdefizit. Das ist genau wie bei Haien. Die Leute haben panische Angst vor Haien, weil sie nichts über sie wissen.
—————–
Das ist Hannes Jaenicke:
- Hannes Jaenicke wurde am 26. Februar 1960 in Frankfurt am Main geboren
- Er ist Schauspieler, Synchronsprecher, Autor und Umweltaktivist
- Für seine Arbeit erhielt Hannes Jaenicke schon zahlreiche Auszeichnungen. Unter anderem den „Naturelife Umweltpreis“ und den „Bambi“
—————-
Dann gibt es noch das Argument, dass der Wolf keinen Platz in Deutschland habe…
Wir tun ja gerne so, als wären wir unheimlich naturfreundlich. Wir sind aber genau das Gegenteil. Das Argument gilt nicht. Deutschland hat den höchsten Flächenfraß in ganz Europa. Wir vernichten pro Tag 90 fußballfeldgroße Grünflächen. Für Gewerbeparks, Straßen, für noch einen Ikea, einen Baumarkt oder was auch immer. Und da wundern wir uns, dass die Natur keinen Platz mehr hat? Vielleicht sollten wir erst mal über dieses Thema diskutieren, bevor wir behaupten, dass der Wolf keinen Platz mehr habe.
Wenn Corona für eines gesorgt hat, dann dafür, dass der Deutsche wieder mehr zur Natur findet. Macht Ihnen das Hoffnung? Auch für die Lebensräume des Wolfs?
Das wäre total wünschenswert. Ich glaube, dass viele Städter jetzt kapiert haben, wie wichtig Naherholungsgebiete sind. Ich lebe außerhalb von München und war noch nie so viel spazieren wie in den letzten zwölf Monaten. Ich hoffe, dass die Abrodungen unserer Wälder endlich aufhören, weil die Menschen jetzt zu schätzen lernen, wie toll es ist, einen Waldspaziergang zu machen und intakte Natur in der Umgebung zu haben.
——————
Mehr Interviews:
Ralf Moeller packt aus: Wegen IHNEN wollte er aufs „Traumschiff“
„Bares für Rares“ im ZDF: Horst Lichter verrät Geheimnis
„Fernsehgarten“: Andrea Kiewel exklusiv – „Habe nur einen Wunsch“
——————
Was muss sich in Deutschland ändern, damit der Wolf seinen Platz einnehmen kann?
Der Flächenfraß muss gestoppt werden, wir brauchen keine neuen Straßen und Gewerbeparks. Das ist Punkt 1. Und wir brauchen dringend eine Agrarwende. Die Agrarpolitik ist eine Katastrophe, besonders die Subventionspolitik. Wir brauchen mehr Naturschutzgebiete und Nationalparks. In Deutschland sind nur 0,6 Prozent der Landfläche Nationalparks. In südeuropäischen Ländern ist es das 10-fache. Ohne diese geschützten Zonen hat die Natur einfach keinen Platz mehr.