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Ramadan in der Pizzeria

Ramadan in der Pizzeria

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Fatme und Fahim aus Essen betreiben eine Pizzeria auf der Mülheimer Straße in Essen. Auch während des Ramadan geht der Betrieb der muslimischen Familie weiter. Foto: Marc Albers Foto: WAZ Foto Pool

Essen. 

Die Tage sind lang, die Nächte kurz, keine leichte Zeit für die Muslime in Deutschland. Denn am Montag begann der Ramadan, der Fastenmonat, da verzichten die Gläubigen auf jegliche Speisen und Getränke. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. 29 Tage währt diese Zeit der Entbehrungen, die für ein Essener Ehepaar auf den ersten Blick eine besonders harte zu sein scheint, denn Fahim verbringt den lieben langen Tag damit, italienische Spezialitäten in den Ofen zu schieben. Fatme hilft ihm mitunter dabei und stellt gleich klar: „Nein, das macht mir überhaupt nichts aus. Und dafür gibt es gleich mehrere Gründe.“

Fatme hebt an: „Zunächst gibt es da den gesundheitlichen Aspekt. Wenn man nicht gerade krank ist, tut es dem Körper einfach gut, eine Zeitlang zu fasten. Das entgiftet. Ich habe lange als MTA im Labor einer Klinik gearbeitet. Wir haben das da mal untersucht. Meine Blutwerte waren am Ende des Ramadan besser als vorher und auch besser als die der Kolleginnen.“

Fahim schiebt eine Pizza Diavolo in den Ofen, es riecht nach Paprika und Peperoni, Fatme lässt das kalt. „Ich koche ja auch tagsüber für die Kinder.“ Der Älteste, Younes (14), macht beim Fasten schon mit. „Amal (11) und Israa (8) frühstücken normal und essen dann am Nachmittag noch mal richtig. Ab 16 Uhr sind sie dann dabei. Wir nennen das übersetzt Vogelfasten. Die beiden Kleinen essen ganz normal.“

Für Fatme beginnt der Tag jetzt um 3.30 Uhr. „Ich bereite das Frühstück vor. Das sind vor allem Datteln in Milch eingelegt. Das schmeckt auch so früh schon gut und hat vor allem viele Vitamine, Energie für den ganzen Tag. Außerdem trinke ich zwei große Gläser Wasser. Abends um acht beginne ich dann mit den Vorbereitungen für das Essen nach Sonnenuntergang. Das Schöne ist, im Ramadan trifft man sich dann oft zu einer großen Runde. Heute Abend sind wir 15. Meine Schwester hat auch fünf Kinder, meine Mutter kommt dazu, jeder bereitet was vor, etwa Fatteh, Kirchererbsen mit Brot, oder auch Maklubeh, ein Reisgericht mit Hähnchen.“

Die „Diavolo“ ist fertig, schmeckt schön scharf, Fatme schaut zu, verzieht keine Miene. „Am wichtigsten aber ist der religiöse Aspekt des Ramadan. Es ist auch eine Zeit der inneren Einkehr. Man beschäftigt sich mit dem Koran, liest ihn noch einmal durch, obwohl ich das schon mehrfach getan habe, entdecke ich Neues. Das berede ich dann mit meinem Mann, oder ich schau im Internet nach, wie die Stellen interpretiert werden. Am Ende der Fastenzeit bleiben wir auch oft etwas länger wach. An den ungeraden Tagen, so heißt es, hat damals Allah über den Erzengel Gabriel Mohammed die Botschaft überbracht. Es ist eine gute Zeit für religiöse Gedanken.“

Nicht nur fasten,
sondern auch spenden

Fahim bringt einen Becher Ayran, so leckeres Joghurtzeug. Fatme nimmt den Faden wieder auf: „Wichtig ist auch die soziale Bedeutung des Ramadan. Man nutzt die Zeit, um alte Streitereien mit Freunden oder Verwandten zu beenden. Und macht sich Gedanken, wie man anderen helfen kann. Zakat heißt das in unserer Sprache, es geht um Spenden für die Armen. In arabischen Ländern bauen die reicheren Leute Tische mit Essen auf, damit die genug bekommen, die wenig haben. Oder man spendet eben einen Geldbetrag. Man sagt, so zwei bis drei Prozent seines Besitzes soll man geben. Ich habe die Bilder aus Kenia und Somalia gesehen. Also denke ich, dass wir in diesem Jahr für die Menschen dort spenden werden.“

Und wenn einer nicht mitmacht? Von den vier Millionen Muslimen in Deutschland fastet eine Million angeblich nicht mit. „Das muss doch jeder selbst wissen. Eine ganz persönliche Entscheidung. Wie bei allem“, sagt Fatme, „meine Schwester trägt kein Kopftuch. Ich schon. Meine Töchter werden das auch mal selbst entscheiden. So soll es doch sein.“

Fatme jedenfalls fastet. Und die Frau, deren palästinensische Familie vor 30 Jahren vor dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland floh, macht es nicht nur der Tradition zuliebe. Sie hat ihre Gründe.