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Reihenhäuser für Spatzen

Reihenhäuser für Spatzen

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Foto: ddp

Hamburg. Der Sperling gehört in immer mehr deutschen Städten zur bedrohten Art. Auch in Hamburg fehlen Quartiere für die Spatzen. Es gibt keine Nistplätze mehr, da Bauherren häufig das alte Mauerwerk durch moderne Glasfassaden ersetzen. In Berlin hingegen haben die Behörden früher vorgesorgt.

Hamburg hat ein Obdachlosenproblem der besonderen Art: Den Spatzen, die bislang zum gewohnten Bild der Großstadt gehörten, fehlen die Quartiere. Ein Umstand, der zunehmend ihre Existenz bedroht. Der Haussperling ist in vielen Städten bereits selten geworden, in Hamburg, Hannover, London und Amsterdam gilt er als fast ausgestorben. Allein in Hamburg leben heute im Vergleich zum Stand vor 30 Jahren bis zu 85 Prozent weniger Spatzen, wie die Sprecherin der Deutschen Wildtier Stiftung, Eva Goris, sagt.

Den Spatzen fehlen die Nistplätze, da die alten Mauerwerke zunehmend durch moderne Glasfassaden ersetzt werden. In Berlin hingegen haben Behörden früher vorgesorgt. Bei Fassadensanierungen müssen Bauherren ersatzweise für Nistplätze sorgen oder sie direkt in die Fassade bauen, erklärt Alexander Mitschke. Er koordiniert beim Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA), dem Zusammenschluss aller Ornithologenverbände, das deutsche Vogel-Monitoring. Das Gesetz existiere in Hamburg zwar ebenfalls, doch mancher Bauherr ignoriere es schlichtweg. Für die Bauträger sei es teilweise schwer in Erfahrung zu bringen, ob an der Hauswand Brutvögel nisten. Daher solle in Zukunft ein Ornithologe die Situation begutachten.

Spatzen finden fast nur noch Ameisen und Blattläuse

Das fehlende Obdach ist aber nicht das einzige Problem der Sperlinge. In den Städten finden die Spatzen fast nur noch Ameisen auf den Wegen und Blattläuse an Bäumen, um ihre Küken zu ernähren, wie Mitschke erläutert. Kommunale Grünflächen würden so häufig gemäht, dass kaum etwas wild blühen könne. Deshalb müssten die Stadtsperlinge wesentlich häufiger ihr Nest anfliegen als ein Spatz, der seinen Jungen Schmetterlinge und fette Raupen von der blühenden Wiese bringen könne.

Die Hansestadt zählt mittlerweile zu den Extremfällen, denn nicht überall sind Haussperlinge so gefährdet. In Europa gebe es ein starkes Ost-West-Gefälle, sagt Mitschke. In Berlin oder osteuropäischen Städten wie Warschau finden sich auf zehn Hektar immerhin noch etwa 14 Brutpaare. Dagegen ist der Spatz in Amsterdam oder London fast gänzlich ausgestorben, hier finden Ornithologen nicht einmal pro zehn Hektar einen Sperling.

Bestand seit den 90er Jahren um 20 Prozent geschrumpft

Bundesweit ging der Spatzenbestand durchschnittlich seit den 90er Jahren um 20 Prozent zurück. Nicht überall zeigen sich dabei jedoch Extreme wie in Hamburg und Köln, wo Ornithologen nur noch etwa vier Spatzenpaare auf zehn Hektar zählten. In Hannover brüten gar insgesamt nur etwa 4000 Spatzenpärchen. Und während in Berlin noch 120 000 Brutpaare Ameisen und Würmer an ihre Küken verfüttern, «mögen es in Hamburg bereits unter 20 000 sein, auf etwa gleicher Fläche», sagt Mitschke.

Deshalb will die Wildtier Stiftung mit Hilfsmaßnahmen der bedrohten Art zur Seite stehen. Um den etwa 15 Zentimeter großen und nur 35 Gramm schweren Brutvögeln mehr Futter zu verschaffen, empfehlen Ornithologen zum Beispiel Dachbegrünung. Auf diesen Grasflächen sollen sich dann Würmer und Käfer tummeln, ein Festschmaus für die Sperlings-Küken. Denn auf die Dächer scheine viel Sonne, zudem seien sie etwa vor wühlenden Hunden geschützt, erklärt Mitschke.

Die Deutsche Wildtier Stiftung verkauft Spatzenreihenhäuser, um den Nistplatzmangel zu bekämpfen. Die hölzernen Behausungen bieten gleich zwei Familien Platz, denn der Spatz ist ein geselliger Vogel. Am liebsten lebt er in einer eheähnlichen, lebenslangen Beziehung. Die bisherigen Erfolge der Aktion «Rettet den Spatz» könnten sich sehen lassen, sagt Sprecherin Goris. Weit über 5000 Hamburger hätten schon ein Reihennisthaus an einer möglichst wettergeschützten Hauswand in ausreichender Höhe aufgehängt, Platz für insgesamt 10 000 Pärchen.

Außerdem suchte die Stiftung erfolgreich Paten für Spatzenreihenhäuser bei sämtlichen Hamburger Grundschulen und Kindertagesstätten. Die bieten nun einen Brutplatz für weitere 2000 Spatzenfamilien an. (ddp)