Die eigene Autorennbahn: Der Spielzeugklassiker als Geschenk zu Weihnachten ließ viele Jungenträume wahr werden. Einige Kindheitserinnerungen:
Die Carrera-Bahn – nichts für Einzelkinder
Essen.
Ich bin Einzelkind. Das war oft nicht schlecht, manchmal aber schon ärgerlich. Zumindest Weihnachten 1968. Da habe ich eine Carrera-Bahn bekommen. Maßstab 1:32, das Standardmodell, zweispurig, mit Brücke und Rundenzähler. Aber so eine Carrera-Bahn – und da sind wir wieder beim Einzelkind – macht natürlich nur wirklich Spaß, wenn man einen Gegner hat. Klar, am Heiligabend haben sie alle mal kurz mit mir gespielt, Vater, Onkel auch der Opa. Aber dann sind sie – „Hermann, noch `nen Bier?“ – wieder aufs Sofa gegangen. Und ich stand da ohne Geschwister. Bis Weihnachten vorüber war und meine Freunde zu mir kommen durften.
Da saßen wir dann im Schneidersitz im Kinderzimmer. Die Daumen fest am Drücker, den Blick auf die schwarze Plastikfahrbahn geheftet. Und auf das Kommando „Achtung, fertig, los“ die Plastikschieber bis zum Anschlag heruntergedrückt. Bis auf Martin, der nur ganz zaghaft Gas gab. Aber der war auch beim Fußball immer nur Schiedsrichter.
Es dauerte allerdings, bis wir ein Gefühl für das Gas hatten und mit den kleinen Plastikboliden durch die Kurven driften konnten, statt jedes Mal in hohem Bogen rauszufliegen. Gut ein Jahr ging das so, bis ein Freund ein kleines Auto mit in die Schule brachte, das er Hot Wheels nannte. Nicht aus Plastik, nicht elektrisch, aber mit Rädern, die sich ganz leicht, ganz schnell drehen konnten. Und mit einer Bahn, mit der man auch allein spielen konnte. Ideal für Einzelkinder am Heiligen Abend. (Andreas Böhme)
Die „ams racing“ von Faller – die Alternative zur Modelleisenbahn
Das hat man nun davon, wenn man als kleiner Steppke die Eltern bei ihren Beratungen über die Weihnachtsgeschenke belauscht: Mit der erhofften Carrera-Bahn unter dem Baum würde es also nichts werden. Es war zum Heulen. Unter dem Baum wartete dann eine fertig montierte ams-Anlage, die elektrische Autobahn von Faller im kleinen Maßstab H0. Da passte eine veritable Acht auf eine kleine Tischplatte, in den Mehr-Kinder-Zimmerchen der Sechziger ein unschätzbarer Vorteil gegenüber den platzraubenden Carrera-Kursen.
Eigentlich war die „ams“ 1963 als automobile Alternative zur Modelleisenbahn geplant gewesen, für die das schwäbische Brüderpaar Faller seit der Nachkriegszeit die Bausätze für hunderte verschiedene Modellhäuschen geliefert hatte. Aber den Jungen, der mit einem Spielzeugauto (besonders wenn es einen Motor hat) nicht nach fünf Minuten Rennen fährt, gibt es wahrscheinlich nicht.
So verwandelte sich die Modellautobahn mit angedachtem Verkehrserziehungscharakter (ein Lenkrad zum Gasgeben! Ampeln! Vorfahrtsschilder! Halteverbot!) schnell in eine Rennstrecke im Miniaturformat. 1975 hieß es dann auch so: „ams racing“. Looping und Rundenzähler kamen hinzu, aber der ursprüngliche Charme eines elfenbeinweißen VW-Bulli-Krankenwagens mit Blaulicht ging verloren. (Gerd Heidecke)
Die Stabo Car 405 – Durchspielen bis der Trafo heiß wurde
Unlängst habe ich ein Foto gefunden. Weihnachten Neunzehnhundertirgendwann, ich mit Prinz-Eisenherz-Frisur im Wohnzimmer vor der Schrankwand Eiche rustikal. Und vor mir: meine Stabo Car 405. Mit Steilwandkurve.
Ich war glücklich. Meine Eltern auch, denn sie hatten Zeit für sich: Ich baute die Bahn Heiligabend auf und spielte durch, bis ich Anfang Januar wieder in die Schule musste.
Die Stabo Car gab es nur 16 Jahre, von 1963 bis 1979. Am Anfang hieß sie Stabo Carrera, bis die Firma den Prozess um den Markennamen verlor – und mit ihr das „rera“.
Für mich blieb es meine erste Carrera-Bahn, auch wenn da was anderes draufstand. Ich spielte stundenlang, bis der Trafo richtig heiß wurde oder mein Daumen vom Drücken des Handreglers wehtat. In der Packung waren zwei Rennwagen in Blau und Rot, zwei Monopostos. Das waren die Einsitzer mit den großen Rädern, als man noch nichts auf Aerodynamik gab. Den Roten verlor ich irgendwann bei einem schrecklichen Unfall am Ausgang der Steilwand. Es riss ihn bei Tempo 300 aus der Spur, er zerschellte an meinem Kleiderschrank.
Neulich habe ich einen bei Ebay gesehen. (Jürgen Polzin)
Jubiläum: Die Carrera-Bahn wird 50
1963 beginnt dieses flotte Kapitel der deutschen Rennsportgeschichte. Die erste Carrera-Bahn Universal 132 bricht Jungenherzen wie damals Formel-eins-Weltmeister Jim Clark.
1920 hatte Josef Neuhierl in Fürth eine kleine Spielzeugfabrik gegründet. Die Idee der durch einen Schlitz (englisch: „Slot“) in der Spur gehaltenen Modellautos mit Elektroantrieb übernimmt er aus den USA. Der Name Carrera leitet sich vom spanischen Wort für Rennen ab. Die Bezeichnung Universal 132 erklärt sich zum einen aus dem Maßstab 1:32 und zum anderen, weil vier Autos – eben universell – pro Doppelspur fahren können. Bis zu zehn Spuren können nebeneinander gelegt werden.
1967 folgt die 124 mit entsprechend größeren Wagen. Diese Königsklasse der Minis bringt es auf 50 km/h in nur einer (!) Sekunde. 2004 hält die digitale Steuerung Einzug. Im Laufe der Jahre und der wechselvollen Geschichte der Firma hat sich die Carrera-Bahn in zwei Richtungen entwickelt: zum billigen Rennspaß für Kinder und zu einem anspruchsvollen und teuren Hobby für Männer. (gh)