Essen. Unschöne Unterwäsche hieß in der Generation meiner Oma Liebestöter. Mein Liebestöter heißt Sabine Töpperwien. Warum? Weil meine innere Kommentatorin immer dann anfängt zu quasseln, wenn es romantisch werden könnte.
Mein Liebesleben leidet unter Sabine Töpperwien. Warum? Sie sitzt auf meiner Schulter und kommentiert. Leider keine Fußballspiele wie im Radio – da schalte ich konsequent weg – sondern mein Privatleben. Sabine ist, wer hätte ihr das zugetraut, die Stimme meines analytischen Verstandes. Und in dieser Eigenschaft ist sie ein schlimmerer Romantik-Killer als Feinrippunterwäsche.
Wochenende im Nirgendwo
Neulich zum Beispiel, an einem lauen Sommerabend, der sehr gut ohne Frau Töpperwiens besserwisserische Einwürfe ausgekommen wäre, war sie besonders aktiv.
Wir waren für ein paar Tage aufs Land gefahren. Wir, das waren eine gute Freundin und eine Reihe mir weitgehend unbekannter Freunde dieser Freundin. Nachdem sich Maria meine telefonischen Klagen angehört und einen „Pott-Koller“ diagnostiziert hatte, stellte sie fest: „Du musst mal wieder Landschaft sehen!“ Sie lud mich zu einem Wochenende ein an einem Ort, der so entlegen war, dass sich dort Fuchsbandwurm und Rinderwahnsinn gute Nacht sagen. Die Eltern von einem von Marias Freunden besitzen ein Ferienhaus im sauerländischen Nirgendwo, also noch ein Stück hinter Bad Berleburg.
Sabine schaltet sich ein
Das Wochenende verlief, wie es sollte, mit ausgedehnten Spaziergängen, Erdbeerbowle und Sonnenbrand. Am Samstagabend saß ich auf einem bemoosten Weidezaun und sah zu, wie die Mückenschwärme im letzten Tageslicht leuchteten. Der Zaun knackte, als Philipp sich neben mich schwang. „Toll, nicht?“, fragte er. Und während wir uns über die Schönheit einer abgegrasten Pferdewiese unterhielten, hörte ich, wie meine innere Stimme alias Sabine Töpperwien mit leisem Knacken das Mikrofon einschaltete.
Philipp und ich sprachen über Hobbys und Interessen, über das Wetter und die Arbeit. Ich weiß, worauf das hinauslaufen wird, warf Sabine ungefragt ein, weiß es, weiß es, weiß es! Mal sehen, wie lange es dauert. Ich spürte ihre Ungeduld.
Da geht noch was
Es wurde dämmeriger, die Kühle ließ uns zusammenrücken und nicht nur die. Noch nicht viel passiert, stellte die Kommentatorin trocken fest. Bin mal gespannt, wie er weitermacht. Das läuft hier doch auf einen Kuss hinaus…
„…ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass ich in die nächste Runde komme…“, wehte es in mein Ohr. „Als sie dann angerufen haben, war ich ziemlich überrascht und es war auch echt kurzfristig“ Wie er wohl die Kurve bekommt? Die erste Halbzeit neigt sich dem Ende zu, und wir haben noch keine deutliche Aktion gesehen. Da geht doch noch was.
„Kalt, nicht?“, sagte er, legte den Arm um meine Schultern und punktete damit bei Sabine. Schön angesetzt, sehr schööööööööööööööööön! „Stimmt“, sagte ich. „Und wie ist es weiter gegangen mit dem Job?“ und kuschelte mich an ihn.
Komm zu Potte
„Ja, als ich ihnen dann gegenübersaß, wollten sie plötzlich nur noch über meine Abi-Leistungskurse sprechen! Dabei hatte ich…“ Er erwärmte sich zunehmend für sein Thema.
Und… schaaade! Immer noch kein Tor. Komm zu Potte!
Als Sabine verhallt war, wurde es mit einem Mal verdächtig still auf unserer Weide. Lag es daran, dass die Grillen eine Pause einlegten oder hatte meine innere Stimme diesmal laut gedacht? Ich schaute ihn mit verkrampftem Magen an. Nein, offenbar nicht, tiefes Ausatmen und sachte Entspannung.
„Du hast da was im Haar“, sagte er. „Guck mich mal an.“ So macht er das, dachte ich und drehte ihm das Gesicht zu. Und jetzt küsst er mich. Und dann küsste er mich.
Wann hält sie denn mal die Klappe?
Gut gemacht. Der hat gesessen!, lobte Sabine. Wurde aber auch Zeit. Ich hätte ihr gerne den Strom abgedreht in jenem Moment, aber sie hat sich noch nie durch so etwas aufhalten lassen. Es stört sie nicht, wenn sie stört.
Fünf Minuten später hatte Philipp, in den Worten Frau Töpperwiens, ein weiteres Tor erzielt und wir hatten einmal beinahe das Gleichgewicht verloren auf unserer Zaunlatte – Vielleicht lag es auch an Sabine, die auf meiner Schulter zu wahrer analytisch-taktischer Höchstform auflief. In den Worten von Fettes Brot: „Es erscheinen Engelchen und Teufelchen auf meiner Schulter. Engel links, Teufel rechts, lechz…“
Apropros: Sie hat sich übrigens noch heiser kommentiert an jenem Abend. Dass er aus diesem Winkel keinen Elfmeter erzielen wird, hätte er aber ahnen können, bemerkte sie besserwisserisch. Und: Mit Bärchen-Shorts ist hier noch keiner in die Verlängerung gekommen. Schließlich: Hm. Rückspiel nicht ausgeschlossen. Nein, Sabine, ist es nicht. Aber mehr auch nicht. Wenn mir dagegen endlich mal ein Mann über den Weg laufen würde, bei dem du die Klappe hältst – dann könnte es was werden.
- Teil 9: Wenn ein Mann den Frauenabend ruiniert
- Teil 8: Ungleiche Paare – Von Blümchensex und Kamasutra
- Teil 7: Männer, Frauen und der Stress beim Urlaubsflirt
- Teil 6: Frau liebt Mann liebt Frau liebt Mann
- Teil 5: Keine Zeit für nix: Beziehung als Hauptberuf
- Teil 4: Ach ja, ich bin schon vergeben…
- Teil 3: Drei Männer, eine Frau und ein Berg Geschirr
- Teil 2: Männer – mit Kleidung besser als ohne
- Teil 1: Erster Blick durchs Schlüsselloch