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Seit 75 Jahren gibt es kühles Blondes zum Aufreißen

Seit 75 Jahren gibt es kühles Blondes zum Aufreißen

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Foto: imago stock&people

Essen/Bonn. 

Die Bierdose feiert Geburtstag. Am Sonntag vor 75 Jahren stand sie erstmals in den Regalen. Erfunden wurde sie in den USA. 1951 kam sie nach Deutschland. Und weiterentwickelt wird sie heute in Bonn.

Die USA Anfang der 1930er. Noch gilt die Prohibition. Doch ein Ende des Alkoholverbotes ist in Sicht. Deshalb muss George Newman vorbereitet sein. Schließlich ist er der technische Leiter der „Brauerei Gottfried Krueger”. Vorproduktion für den Tag X scheint eine gute Idee. Nur wie? Die langfristige Lagerung in Flaschen oder Fässern ist damals noch nicht zu machen. Zu empfindlich ist der Gerstensaft gegen Luft und Licht.

Vom Start weg erfolgreich

Newman greift zur Dose, die sich bereits bei Konserven bewährt hat. Doch das Bier reagiert mit dem Weißblech. Monate dauert es, bis Chemiker eine geschmacksneutrale Innenbeschichtung entwickelt haben. Dann sind 2000 Testtrinker begeistert. Am 24. Januar 1935 kommt die erste Getränkedose der Welt auf den Markt – drei Mal so schwer wie heutige Modelle und nur zu leeren, indem der Käufer mit dem beigelegten Metallstift („Kirchenschlüssel”) eine dreieckige Öffnung in den Deckel stößt. Trotzdem wird das kühle Blonde ein Erfolg. Der Umsatz der Krüger-Brauerei steigt um 550 Prozent, und bereits im ersten Jahr werden 220 Millionen Dosen verkauft.

1951 macht es auch in Deutschland erstmals „Ratsch – pffft”. „Henninger Export” fließt von da an auch aus den runden Behältnissen. „Moderner leben – mit Bier aus Dosen” lautet die Werbung. Ein Erfolg wird die neue Verpackung dennoch. Auch weil sie ständig weiterentwickelt wird.

Ende der 1950er Jahre ist die Hülle erstmals aus Aluminium. Bis in die 1970er wird am Verschluss getüftelt. Dann gibt es das „Stay-On-Tab-System” – die Lasche, die nach dem Öffnen am Deckel bleibt und in die Dose gehebelt wird.

Der deutsche Dosenkrieg

Andere Probleme sind technisch nicht zu lösen. Jedenfalls nicht in Deutschland. „Nur Flaschen trinken aus Dosen”, lautet der Slogan, mit dem Umweltorganisationen seit den 1980ern über mangelnde Energie-Effizienz und Recyclingfähigkeit der Alu-Behälter schimpfen. Die Deutschen trinken trotzdem weiter. Bis immer neue Pfandregelungen die Dose 2003 verdrängen.

Mit der Einführung des neuen einheitlichen Pfandsystems kehrt sie 2006 zurück. „Aber nicht so stark wie erhofft”, sagt Sylvia Blömker, Sprecherin der deutschen Niederlassung von Ball Packaging Europe, einem der größten Dosenhersteller der Welt. Deshalb leerten die Deutschen 2008 auch nur knapp 900 Millionen Dosen. Anfang des Jahrtausends waren es noch rund acht Milliarden pro Jahr.

1500 Menschen sind in Deutschland rund um die Getränkedose beschäftigt. 70 von ihnen forschen in Bonn für Ball Packaging nach Möglichkeiten, die Dose weiter zu verbessern. Eine wiederverschließbare Version haben sie schon erfunden. „In Frankreich, Holland und den USA ist diese Dose flächendeckend eingeführt”, sagt Blömker.

Auch am Äußeren wird getüftelt. Etwa an Beschichtungen, die ihre Farbe mit der Temperatur verändern. Damit man weiß, wann das Bier die richtige Temperatur hat. „Aromastoffe” sind in der Entwicklung. Wer außen an der Dose reibt, kann dann den passenden Duft zum Getränk freisetzen. Das ist noch nicht alles. Irgendwann soll die Dose dank aufladbarer Partikel, mit den Menschen kommunizieren können. „Nimm mich mit”, könnte dann aufleuchten, wenn jemand im Laden am Regal vorbeigeht. Oder – ganz im Sinn vieler wortkarger Männer – nach dem Öffnen nur ein kurzes Wort: „Prost.”