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Sex-Attacke auf Zimmermädchen?

Sex-Attacke auf Zimmermädchen?

Dem Direktor des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, wird eine versuchte Vergewaltigung eines Zimmermädchens in New York vorgeworfen. Der 62-jährige, prominente Franzose wurde noch auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen verhaftet.

Washington. 

Die Crew war gerade dabei, die Türen des Airbus für den Start Richtung Paris zu schließen, als zwei Polizisten der New Yorker Hafenbehörde das Flugzeug stürmten. In der ersten Klasse des Air-France-Fluges AF 23 saß der Chef des Internatio­nalen Währungsfonds (IWF), den sie suchten. Eskortiert von den beiden Cops, musste Dominique Strauss-Kahn den startbereiten Flieger am ­Kennedy-Flughafen wie ein gewöhnlicher Krimineller, allerdings ohne Handschellen, verlassen. Dem prominenten Franzosen wird vorgeworfen, eine Hotelangestellte sexuell attackiert zu haben.

Am frühen Sonntagmorgen wurde der 62-Jährige formell unter Anklage gestellt. Er soll versucht haben, in der Suite seines Luxus-Hotels am New Yorker Times Square ein Zimmermädchen zu vergewal­tigen. Weil er die Tür seiner Suite abschloss, wirft ihm die Anklage auch noch Freiheitsberaubung vor. Auf „nicht schuldig“ will Strauss-Kahn bei seiner Anhörung am heutigen Montag nach Darstellung seines New Yorker Anwalts vor einem Richter plädieren.

In Paris schlug die Nachricht wie ein Blitz ein. In Frankreich wurden dem Sozialisten und Ex-Finanz­minister beste Chancen ein­geräumt, Präsident Nicolas Sarkozy bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr zu schlagen. Strauss-Kahns langer Karriere droht nun ein unrühmliches Ende.

Ein Ruf als notorischer Schürzenjäger

Es wäre nicht das erste Mal, dass Strauss-Kahn die Triebe in die Quere kommen. In Paris hat „DSK“, wie er genannt wird, einen Ruf als notorischer Schürzenjäger. Aber Bettgeschichten des politischen Spitzenpersonals werden in Frankreich noch immer eher achselzuckend toleriert.

Dass Strauss-Kahns größter Schwachpunkt unter der Gürtellinie liegt, hätte ihm in den weitaus rigoroseren USA fast schon einmal politisch das Genick gebrochen. Kaum im Amt als IWF-Chef, stand der bullige Spitzenpolitiker schon im Verdacht, seine Position als Direktor ausgenutzt zu haben, um eine Untergebene ins Bett zu bekommen. Die interne Untersuchung endete ohne Schuldspruch, aber Strauss-Kahn versprach öffentlich, die Standards der Weltorganisation künftig zu respektieren.

Seine Frau, die französische Fernsehjournalistin Anne Sinclair, half ihm, die peinliche Affäre zu überstehen. Auch jetzt zeigte sie sich in einer Erklärung von der Unschuld ihres Mannes überzeugt.

Splitternackt soll der 62-Jährige über das Zimmermädchen, eine 32-jährige Frau, hergefallen sein, als sie in der 3000-Dollar-Suite eines französischen Spitzenhotels am Times Square aufräumen wollte – in der Annahme, der Raum sei leer. Er soll sie zunächst ins Bad und Richtung Bett gedrängt und dabei auch Oralsex verlangt haben. In dem Handgemenge, bei dem er ihr angeblich den Slip herunterreißen wollte, konnte sich die Frau befreien und an der Rezeption Alarm schlagen. Mit leichten Verletzungen wurde sie in ein Krankenhaus gebracht.

Überhastet soll Strauss-Kahn nach der Attacke die Suite verlassen haben. Sein Handy und andere persön­liche Dinge soll er in der Eile zurückgelassen haben. Bei der Fahndung nach Strauss-Kahn stießen die Ermittler auf den gebuchten Paris-Flug und reagierten sofort.

Gestern wollte er mit Merkel sprechen

Neben Frankreichs Sozialisten, die aus allen Wolken ­fielen, trifft Strauss-Kahns ­Verhaftung auch den Währungsfonds zu einem kritischen Zeitpunkt. Mit dem politischen Schwergewicht Strauss-Kahn an der Spitze, der die Weltorganisation für ein steuerfreies Jahresgehalt von 500 000 Dollar führt, hat sich der IWF bei der Bewäl­tigung der internationalen Finanz- und europäischen Schuldenkrise neues Renommee erworben. Der IWF rückte unter Strauss-Kahns Leitung neben den EU-Staaten zum wichtigsten Mitspieler auf, Griechenlands und Portugals Kollaps zu vermeiden.

Die Behörde sei „unein­geschränkt arbeitsfähig“, hieß es in einer dürren Erklärung nach Strauss-Kahns Verhaftung. Intern war die Rede von einem „Desaster“. Die Organisation, die traditionell von einem Europäer geführt wird, ist über Nacht praktisch ­führungslos. Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky ­hatte vor vier Tagen angekündigt, er wolle seinen im August auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern.

Am Sonntag hatte Strauss-Kahn, der hervorragend Deutsch spricht, eigentlich mit Kanzlerin Angela Merkel über die Lage in Athen reden wollen. Am heutigen Montag hatte er zum Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe stoßen wollen. Stattdessen muss er jetzt selbst nach einer ­Strategie aus seiner größten persönlichen Krise suchen.