Münster.
Sie spielt gern, aber nicht leidenschaftlich. Trotzdem ist Kirsten Becker etwas ganz Besonderes gelungen: Sie hat eines der beliebtesten Kinderspiele der vergangenen Jahre erfunden, die „Nacht der Magier“.
Ihre Leidenschaft liegt woanders: Beim Basteln, beim Tüfteln. Beim Ausprobieren. „Ich löse gern Probleme“, sagt sie. Mit Kopf und Hand. Und auf diese Weise hat Kirsten Becker eines der erfolgreichsten Kinderspiele der letzten Jahre entwickelt: die „Nacht der Magier“. Über 110 000 Mal wurde es verkauft, in zig Sprachen übersetzt, beim Deutsche Spiele Preis ausgezeichnet, 2006 als Kinderspiel des Jahres nominiert – so viel erreichen nur wenige Neuerscheinungen auf dem riesigen Spielemarkt.
Spieleerfinderin – das kann man nicht studieren: Auch Kirsten Becker hat was „Richtiges“ gelernt. Lehrerin wollte die heute 51-Jährige werden, für Sport und Musik. Doch im Referendariat merkte sie, dass Schule mit ihren engen Regeln nicht das richtige für sie ist. Und so begann die unkonventionelle Münsteranerin wieder auszuprobieren, rumzutüfteln: Sie machte eine Ausbildung zur Radiojournalistin, ging zum WDR, wurde dort Redakteurin – und kündigte wieder, als sie plötzlich allein für ihre gerade einjährige Tochter Pascaline sorgen musste. „Ich dachte, ich krieg schon was anderes.“ Doch statt einer Stelle kriegte sie einen mächtigen Dämpfer – und fiel „in ein tiefes Loch“.
Sie hat sich selbst daraus geholt. Mit dieser Energie, die man ihr bis heute ansieht, mit dieser Freude am Neuen: Sie lernte den Spieleerfinder Jens-Peter Schliemann kennen, erzählte ihm von einem Spiel, das sie für Pascaline gebastelt hatte. Die beiden fanden zusammen: Acht Spiele hat das Duo inzwischen gemeinsam auf dem Markt gebracht – und ein Ende ist nicht in Sicht.
Was man braucht, um ein Spiel zu erfinden? Kirsten Becker überlegt nicht lange: „Vor allem Zeit.“ Vier Jahre hat es etwa gedauert, die Idee von der „Nacht der Magier“ aufs Spielbrett zu bringen. „Am Ende sieht es immer so naheliegend aus“, bedauert Kirsten Becker. Am Anfang standen dagegen viele Treffen, ein langer Gedankenaustausch – und schließlich die Idee: ein Dunkelspiel sollte es werden, das erste überhaupt mit nachtleuchtenden Figuren. „Das fanden wir spannend: Es gibt überhaupt keine Erfahrungen, was passiert, wenn man im Dunkeln zusammen spielt“, sagt die quirlige blonde Frau schmunzelnd: „Na ja, außer der einen. . .“
Faszination Dunkel – Faszination Licht: Monatelang haben die beiden Entwickler herumprobiert, bis die Figuren nicht zu hell und nicht zu dunkel leuchteten. Bastelläden durchstöbert, Modelle gebaut. Spieleerfinden ist Handarbeit, mit der Schere in der Hand und viel Klebe an den Fingern. Kindersicher muss das Spiel sein, nicht zu schwer, aber stabil, ansprechend aber nicht zu kompliziert – und vor allem unterhaltsam. „Man gibt ja keine Idee beim Verlag ab, sondern einen fertigen Prototypen.“ Und kann dann nur hoffen, dass die Redakteure da das Ganze nicht vermurksen – auch das hat Kirsten Becker schon erlebt. Bei ihrem Spiel „Pyramidos“ wurden die Löcher auf dem mühsam ausgetüftelten Parcours falsch angeordnet.
Selbst wenn alles funktioniert: Reich werden ist schwierig als Spieleerfinder. „Das Geld gibt nur kreativen Freiraum, was Neues zu entwickeln.“ Sicher: Mit Millionenauflagen würde es gehen, das Prädikat „Spiel des Jahres“ – der „Oscar“ der Branche — wäre auch eine sichere Bank. „Danach fragen die Leute im Weihnachtsgeschäft.“ Mit ihrem neusten Spiel, „Vampire der Nacht“ hat es wieder „nur“ zur Nominierung gereicht. Aber Kirsten Becker ist zuversichtlich: In der Branche sei vieles im Umbruch. Bislang hätten häufig die komplexen Spiele mit den ellenlangen Anleitungen die Preise abgeräumt. „Die neue Generation der Juroren scheint die spielerischen Elemente wieder mehr zu schätzen.“
Bis es mit dem „Oscar“ mal soweit ist, arbeitet Kirsten Becker weiter als freie Journalistin und Rhythmusdozentin – aber auch an einem neuen Spiel: „Wieder etwas, was es noch gar nicht gab.“ Mehr wird nicht verraten.