Viele Senioren leiden unter Appetitlosigkeit. Ihre Bedürfnisse in der Küche haben sich verändert – von den Zutaten bis zu den Werkzeugen. Für sie hat die Diätassistentin Claudia Menebröcker das „Kochbuch für alte Menschen“ geschrieben. Auch junge Leute finden hier Anregungen.
Bielefeld.
Oma kocht nicht mehr. Und Opa hat es nie gelernt. „Der Aufwand lohnt sich doch nicht“, sagt Oma und deckt damit die gute Damastserviette aus ihrer Aussteuer über die ganze Wahrheit: Ihr ist der Appetit vergangen. Sie hat keinen Hunger. Keine Lust, allein am Tisch zu sitzen. Keine Kraft, die Einkaufstasche zu tragen, Dosen zu öffnen, festes Fleisch zu kauen. Claudia Menebröcker findet das normal: „Das kommt mit dem Alter.“
Mindestens 75, eher vielleicht 80
Zusammen mit zwei Köchen hat die Diätassistentin aus Bielefeld deshalb ein Kochbuch gemacht, das erste und einzige für Leute ab mindestens 75, eher vielleicht 80: „Mir schmeckt’s wieder. Das Kochbuch für alte Menschen.“ Mit Rezepten, die an früher erinnern, die sich schnell und leicht umsetzen lassen, die nie mehr Zutaten enthalten als zehn, darunter aber etwas mehr Gewürz für nachlassenden Geschmackssinn. Und mit praktischen Tipps, wie man genussvoll essen kann, auch falls die Zähne nicht mehr richtig mitmachen, die Hände oder die Verdauungs-Organe.
Wenn Nahrungsaufnahme nur passiert, „weil man eben essen und trinken muss“, heißt es im Vorwort, „ist es weder mit Lust noch mit Genuss verbunden und kann zu einer mühseligen Angelegenheit werden“. Senioren, weiß Claudia Menebröcker, die freiberuflich Klinik- und Heimküchen berät, hören dann einfach auf damit, verlieren Gewicht und damit Gesundheit und Lebensqualität. „Alte Menschen neigen dazu, den Apfel wegzulassen, wenn sie ihn nicht mehr beißen können. Gesundheit ist für sie zweitrangig.“
Den Tisch hübsch anrichten
Dabei kann man den Apfel ersetzen – mit Kompott etwa, den ältere Generationen noch schätzen gelernt haben. Wer es nicht schafft, ausreichend zu trinken, kann ergänzend Trauben essen, Melonen oder Radieschen. Und wer Schluckbeschwerden hat, püriert vielleicht und lässt beim Brot die Rinde weg. Schließlich: „Gemüsesaft ist immer noch besser als gar keine Vitamine.“ Außerdem rät die 43-jährige Autorin: „Machen Sie es sich nett.“ Tischdecke, Serviette, Kerze – das ist einladender als das Gefühl, essen zu müssen, bloß weil Mittagszeit ist.
Überhaupt sagt keiner der drei Experten, wann die Alten essen müssen, lediglich, was: täglich eine warme Mahlzeit. Ein Stück Obst. 1,5 Liter Flüssigkeit. Eine Portion Gemüse. Ein Glas Milch oder einen Becher Joghurt. Eine Scheibe Vollkornbrot. . . Am besten „in kleinen Portionen, damit nicht gleich die Lust vergeht“. Fast alle Rezepte sind für eine Person angegeben, mit Ausnahme der Eintöpfe – aber hat Oma die nicht immer schon für mehrere Tage gekocht?
„Mir schmeckt’s wieder“
Ohnehin wecken viele der abgedruckten Gerichte Erinnerungen an lange vergangene Kindertage: Die gute, alte Kohlroulade steht drin, das Möhrengemüse, der Linseneintopf und die Erbsensuppe aus Erbswurst. Sauerkraut, Apfelrotkohl, L+eberknödelsuppe. Bratkartoffel, „Armer Ritter“, „Himmel und Erde“. Omas alte Rezepte! (Das wird vielleicht auch junge Kunden freuen.) „Hausmannskost und einfache Resteküche“, nennt das Claudia Menebröcker, die nicht böse wäre, wenn eine 80-Jährige etwas davon anders kocht, weil alte Gewohnheiten sich wieder Bahn brechen. „Umso besser“, sie will ja anregen.
Für diejenigen, die das Kochen nie gelernt oder geliebt haben, hat sie die über 100 Rezepte in einfachen Schritten erklärt. Und besondere Leckerbissen eingebaut. Es gibt also auch „Exotisches“, eher Ungewohntes für die Kriegs-Generation, wie Spanisches Omelett oder Spaghetti Bolognese. Und im Nachtisch-Teil ein Tiramisu. Denn Nicht-mehr-Kochen reißt auch Lücken ins soziale Leben. „Vielleicht“, hofft Menebröcker, „bekommen alte Menschen mit diesen Ideen auch mal wieder Lust, jemanden einzuladen.“
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Claudia Menebröcker u.a.: „Mir schmeckt’s wieder“. Trias, 144 S., 19,99 Euro