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Thailands Nationalgericht „Pad Thai“ droht Geschmackspolizei

Thailands Nationalgericht „Pad Thai“ droht Geschmackspolizei

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Thailands Nationalgericht Pad Thai
„Pad Thai“ heißt eins der bekanntesten Gerichte aus der thailändischen Küche. Erfunden hat es ein Diktator – weil die Thailänder statt Reis mehr Nudeln essen sollten. Jetzt droht dem Nationalgericht eine Geschmackspolizei.

Bangkok. 

Halb fünf nachmittags, und vor dem „Pad Thai Thip Samai“-Restaurant in der Altstadt Bangkoks bildet sich schon die erste Schlange. Die Küche ist am Bürgersteig, dort schmeißt die Köchin Knoblauch, Thai-Ingwer, und Sojasprossen in einen riesigen Wok. Bald steigt den Wartenden der Geruch von gebratenen Nudeln, Fischsoße, Garnelen, Limetten und Gewürzen verführerisch in die Nase. Hier wird das bekannteste thailändische Gericht, Pad Thai, in höchster Vollendung gekocht. Das Restaurant hat gerade mal wieder einen Preis gewonnen: Nirgendwo anders auf der Welt kann man nach Überzeugung der britischen Zeitung „Guardian“ so köstliches Pad Thai essen.

Thai-Gerichte kommen eigentlich meist mit dem erlesenen Siam-Reis. Doch ausgerechnet das Paradegericht wird mit Nudeln gemacht. Und es stammt nicht etwa aus jahrhundertealten Familienrezepturen. Vielmehr hat ein Diktator das Gericht vor 80 Jahren kreiert. Plaek Phibulsongkram sorgte sich um den klammen Staatshaushalt und wollte mit höheren Reis-Exporten mehr Geld in die Staatskasse bringen.

„Brüder und Schwestern, esst mehr Nudeln“, appellierte er an die Landsleute. „Wenn ihr Nudeln esst, können wir mehr Reis (für den Export) anbauen.“ Ein Plakat mit dem Aufruf prangt an der Wand des Thip Samai.

Eigentlich sei das Nudelgericht gar nicht typisch thailändisch, sagt der Autor und Restaurantkritiker Tim Footman: „Im Prinzip handelt es sich um ein chinesisches Gericht mit gebratenen Nudeln und thailändischen Gewürzen.“ Andere fühlen sich bei Nudeln, Sojasprossen und Erdnüssen sehr an die vietnamesische Nudelsuppe Pho erinnert.

„Es gab damals viele chinesische Einwanderer, und Phibulsongkram wollte vor allem Nudelesser ansprechen“, sagt der Besitzer des preisgekrönten Restaurants mit langer Familientradition, Silkarachat Baisamut. Phibulsongkram habe selbst bei seinen Vorfahren gespeist.

Regierung entsetzt über Pad Thai im Ausland

Tradition hin oder her, Pad Thai wird heute in Thai-Restaurants in aller Welt als typisches Gericht gekocht. Nicht gerade gut, befand die frühere Regierungschefin Yingluck Shinawatra, die entsetzt war, was ihr im Ausland als vermeintlich typisch Thai angeboten wurde. Deshalb ist jetzt eine Art Geschmackspolizei unterwegs: Yingluck gründete den Ausschuss „Köstliche Thai-Küche“, der einen Goldstandard festlegt, wie bestimmte Gerichte schmecken müssen. Sogar ein Geschmacksroboter wurde entwickelt, um die Echtheit thailändischer Gerichte zu prüfen.

Der Roboter kann mit seinen vielen Sensoren eine Art chemische DNA eines Gerichts ermitteln und sie mit dem Goldstandard vergleichen. „Wir sind dabei, elf Gerichte zu standardisieren, etwa Tom Yum Goong – Krabbensuppe süß-sauer – oder Pad Thai. Es sollen aber noch mehr werden“, sagt einer der Erfinder des Roboters, Ingenieur Krit Chongsarid. Damit soll schlechte Thai-Küche entlarvt werden können. Wer die fast 15 000 Euro teure Maschine kaufen soll, ist aber unklar.

„So ein Blödsinn“, meint Restaurantkritiker Lawrence Osborne, der für Zeitungen wie die „New York Times“ und das „Wall Street Journal“ schreibt. „Thailand lebt davon, nicht standardisiert zu sein. Hat etwa die italienische Küche einen Geschmacksroboter?“ Einen Standardgeschmack festzulegen sei Quatsch, meint auch Restaurantkritiker Tim Footman. „Jede Küche entwickelt sich weiter, verändert sich und nimmt Einflüsse von außen auf“, sagt er.

„Selbst bei uns schmecken zwei Gerichte nie gleich“, sagt Thip-Samai-Chef Silkarachat. „Man kann nicht festlegen, wie viel genau von jeder Zutat stets dazugehört – da ist auch Gefühl im Spiel.“ Der Akademiker mit Doktorabschluss in Unternehmensmanagement fühlt sich der Tradition auf jeden Fall verpflichtet. Er hat eine Uni-Karriere an den Nagel gehängt, um in seinem seit Generationen betriebenen Familienrestaurant für das beste Pad Thai Bangkoks zu sorgen. (dpa)