Und sie halten doch! Die Apple AirPods im großen Test
Mit Verspätung bringt Apple seine neuen Ohrhörer auf den Markt. Die Kalifornier haben viel richtig, es aber nicht allen recht gemacht.
Berlin.
Eigentlich waren sie uns schon viel früher versprochen worden, diese Airpods, Apples erstes Paar kabelloser Bluetoothkopfhörer. Oder besser gesagt Ohrhörer, denn einen Kopfbügel, oder wenigstens ein Kabel, das die beiden Ohrteile miteinander verbindet, gibt es nicht.
Im September waren die weißen Dinger bei der Vorstellung des iPhone 7 gezeigt worden – sie waren gewissermaßen Apples Wiedergutmachung dafür, dass der Hersteller bei seinem neuesten Smartphone den klassischen Kopfhöreranschluss weggelassen hat. Zwar liegen neben dem iPhone 7 auch stets ein paar Kopfhörer mit dem Apple-eigenen Lightning-Anschluss bei, ja sogar ein Adapter, der Lightning in den üblichen 3,5-Millimeter-Stecker übersetzt – Apple sehe die Zukunft aber ohnehin in kabellosen Kopfhörern und wie Apple sich diese Zukunft vorstellt, kann man nun endlich in dessen Stores bestaunen.
Man muss diese etwas umständliche Vorgeschichte wohl erzählen, um für Außenstehende, für nicht so Technik-Begeisterte, verständlich zu machen, warum Nerds, Apple-Fans und noch mehr Apple-Hasser so großes Aufsehen um diese Kopfhörer machen. Sie sind – vielleicht noch mehr als das iPhone – ein Statement in Richtung Zukunft und gewissermaßen der Lackmustest für Apple, ob das Unternehmen in der Post-Steve-Jobs-Ära noch sein Kerngeschäft versteht: genial einfache, innovative und begehrenswerte Produkte zu erfinden.
Ist Apple das mit den AirPods gelungen? Ja – aber längst nicht für alle.
Bedienung: Perfekt
Ein implizites Apple-Versprechen hat das Unternehmen hier so gut eingelöst, wie schon lange nicht mehr: Die AirPods sind der Inbegriff von genial einfacher Handhabung: Auch wenn das Bluetooth-Pairing heutzutage keine Raketen-Wissenschaft mehr ist – Apple macht es mit den AirPods so einfach wie es nur geht. Man öffnet das AirPod-Case, in dem die Ohrhörer transportiert und gleichzeitig geladen werden, und hält es neben sein iPhone. Auf dem Bildschirm erscheint ein Fenster, in dem steht, dass sich die Geräte Verbinden und einen Augenblick später darf man einmal auf „Fertig“ tippen. Das wars. Einfacher geht es wirklich nicht – wieder mal ein Beispiel dafür, welche Vorteile es hat, wenn Geräte und Software aus ein und der selben Hand kommen. Dinge funktionieren einfach.
Auch im täglichen Gebrauch gestaltet sich die Handhabung fast schon unheimlich einfach. Die Hörer schnappen dank Magnet sicher in ihre Ladeposition und können weder verrutschen noch herausfallen, auch der Deckel ist sicher magnetisch verschlossen. Sobald man das Case öffnet, erscheint ein Fenster auf dem iPhone-Display, das den Ladestand der Hörer sowie des Ladecases anzeigt. Sobald man die AirPods ins Ohr setzt, werden sie auf dem iPhone aktiviert, selbst wenn es vorher mit einer anderen Bluetooth-Box oder einem anderen Kopfhörer verbunden war. Da muss nichts angeschaltet, nichts umgestellt, müssen keine kleinen fummeligen Knöpfe gedrückt werden – es funktioniert intuitiv.
Gleiches gilt beim Musikhören. Sobald man einen Hörer aus dem Ohr nimmt, etwa weil man angesprochen wird, stoppt die Wiedergabe selbstständig. Setzt man den Hörer wieder ins Ohr, spielt die Musik automatisch weiter. Nimmt man dagegen beide Hörer aus dem Ohr, wird die Verbindung deaktiviert und erst wieder aktiviert, wenn beide Hörer wieder in die Ohren gesetzt werden. Eine einzige Steuergeste muss gelernt werden: ein doppeltes Tippen auf den Ohrhörer. Damit nimmt man eingehende Anrufe an oder aktiviert Siri. Über die Sprachassistentin können etwa die Lautstärke geregelt und Anrufe getätigt werden – oder was sonst sich noch alles mit der Computerstimme veranstalten lässt. Auf Wunsch kann die Tippgeste auch als Start/Stopp-Schalter konfiguriert werden. Aber das wars dann wirklich. Apple beschränkt seine Hörer auf absolute Kernfunktionen.
Bauform und Sitz:
Die Form der AirPods hat im Netz für viel Spott gesorgt, sie erweist sich im Praxistest aber als ziemlich gelungen: Die Stiele der AirPods, in denen Apple auch Antenne, Akku und Mikrofon unterbringt, erlauben ein müheloses Einsetzen und herausnehmen. Außerdem sorgen sie als Gegengewicht für einen guten Sitz der Hörer. Obwohl sie den dem iPhone beiliegenden EarPods zum verwechseln ähnlich sehen, sind sie einen Tick dicker und sitzen im Vergleich sicherer im Ohr. So gelang es weder mir noch Kollegen, die Hörer aus dem Ohr zu schütteln – auch beim Fahrradfahren oder der Laufrunde im Park blieben die weißen Stecker verlässlich dort, wo sie sein sollten. Hier allerdings kommt das große „Aber“: Apple bietet die AirPods weder in verschiedenen Größen an, noch liegen Aufsätze oder Gummi-Überzüge bei: Wer also besonders große oder besonders kleine Ohren hat, könnte möglicherweise ein Problem mit dem Sitz der Hörer haben. Schade.
Akku: Für die Bauform ordentlich, für den Alltag ausreichend
Apple verspricht eine Akku-Laufzeit von fünf Stunden für die AirPods und insgesamt 24 Stunden, wenn man sie jeweils wieder im Case auflädt. Nach 15 Minuten Ladezeit im Case, soll man die AirPods wieder für drei Stunden nutzen können. Im Test erwiesen sich die Angaben als zutreffend. Ein Beispiel: Nach über zwei Stunden durchgängigem Musik-Hörens sank der Ladestand laut Anzeige von anfänglich 96 Prozent auf 62 Prozent. Nach exakt fünf Minuten im Ladecase war der Akkustand der Hörer wieder auf 92 Prozent angewachsen. Probleme könnten nur notorische Langtelefonierer haben. Denn wer die AirPods als Headset verwendet, muss bereits nach zwei Stunden nachladen. Im Alltag stellte der Akku keinerlei Probleme da, zumal die Hörer bei Nichtgebrauch ja immer wieder in die Aufbewahrungs- und Ladehülle wandern und deshalb meist ohnehin voll sind. Nur an das Aufladen der Hülle (geht per beiliegendem Lightning-Kabel) muss man hin und wieder denken.
Eine Frage des Sounds
Und wie klingen sie? Gut, erstaunlich gut für so offen sitzende Ohrhörer. Im direkten Vergleich zu den kabelgebundenen EarPods (die für kostenlos beiliegende Kopfhörer ohnehin einen erstaunlich guten Klang haben) setzen sich die AirPods in Sachen Auflösung und Transparenz auch noch einmal hörbar von ihren günstigen Geschwistern ab, auch der Bass ist noch einen Tick knackiger. Trotzdem haben sie aufgrund der gleichen Bauweise und dem vergleichsweise lockeren Sitz grundsätzlich eine ähnliche, sehr offene Klangcharakteristik Wem das bei den EarPods missfällt, der wird auch mit den AirPods keine Freude haben. Entsprechend werden auch Außengeräusche kaum abgeschirmt: im Straßenverkehr ist das zumindest etwas sicherer, klanglich muss man in lauten Umgebungen aber Abstriche machen. Ebenfalls gilt: wer hauptsächlich auf Hifi-Klang schielt, bekommt für weniger als die veranschlagten 179 Euro besser klingende Ohrhörer – wenn man sich nicht an einem Kopfhörerkabel (und beim neuen iPhone am Lightning-Klinke-Adapter) stört.
Fazit
Sind Apples AirPods also die recht happigen 179 Euro wert? Ja, sind sie – wenn man denn nach dieser Art von Kopfhörer sucht: Apple zielt auf die absolute Einfachheit im Umgang mit Kopfhörern und ist diesem Ziel mit den AirPods so nah gekommen, wie niemand zuvor.
Das AirPod-Case hat gerade einmal die Ausmaße einer Streichholzschachtel, anders als viele der großen Bluetooth-Kopfhörer kann man diese hier problemlos in die Hosentasche stecken. Das typische Problem, dass die Funk-Kopfhörer immer dann leer sind, wenn man sie braucht, umgeht Apple mit dem Ladecase elegant – und selbst wenn nicht: fünf Minuten Ladezeit für locker anderthalb Stunden Musik hat man eigentlich immer übrig. Und zu guter letzt gibt es kein Kabel, das man mühsam entknoten muss, das beim aus der Tasche nehmen noch Schlüssel und Anderes auf die Straße befördert, das Kabelbrüche oder Wackelkontakte erleiden kann. Wer nach all dem sucht (und ein iPhone benutzt, unter Android geht viel vom Einfachheits-Zauber verloren) wird mit den AirPods vermutlich sehr glücklich werden – wenn sie denn gut im Ohr sitzen.