Als sie starb, wog sie noch 28 Kilo. Das Model Isabelle Caro verlor im vergangenen November ihren Kampf gegen die Magersucht. Die 30-Jährige verstarb im Pariser Bichat-Krankenhaus. Ihr Vater hat die Klinik wegen angeblicher fahrlässiger Tötung angezeigt.
Paris.
Sie hat der Magersucht in der ganzen Welt ein Gesicht gegeben. Ein schreckliches Gesicht: herzzerreißend und abstoßend, ein verstörendes Bild voller Hilflosigkeit. Im letzten November hat die junge Französin Isabelle Caro ihren dramatischen Kampf gegen diese heimtückische Krankheit auf qualvolle Weise verloren. Geschwächt und abgemagert auf 28 Kilogramm wachte die 30-Jährige auf der Intensivstation des Pariser Bichat-Krankenhauses aus einer Narkose nicht mehr auf. Nun setzt ihr Vater Christian den Kampf der Tochter gegen die Geißel Magersucht fort.
Es ist ein Kampf gegen viele und mächtige Gegner. Gegen die Modebranche, die die superschlanke Frau zum absoluten Schönheitsideal erhebt. Gegen Hochglanz-Magazine, die dem Diätwahnsinn ständig neue Nahrung geben. Gegen profitsüchtige Pharmakonzerne, die die Nachfrage tonnenweise in Gestalt bunter Pillen und Schlankmacher zu befriedigen suchen.
Für Christian Caro, den trauernden Vater, ist es ein beinahe übermenschlicher Kampf geworden. Denn nur wenige Wochen nach dem schmerzvollen Tod der Tochter musste er bereits das zweite Opfer beklagen: seine Frau. Sie starb Mitte Januar, fast auf den Tag zwei Monate nach Isabelle. Aus lauter Verbitterung ist sie freiwillig aus dem Leben geschieden. „Sie hat sich schuldig gefühlt, weil sie zuließ, dass Isabelle ins Xavier-Bichat-Krankenhaus gebracht wurde“, vertraute Christian Caro der Illustrierten „Paris Match“ an. Offiziell wurde zwar eine Lungenentzündung als Isabelles Todesursache angegeben. Doch der Vater macht die Ärzte des Pariser Hospitals für ihren Tod verantwortlich. Er hat sie wegen fahrlässiger Tötung angezeigt, weil sie Isabelle betäubt hätten. Christian Caro, Monate danach noch immer voller Wut, hält dies für einen fatalen Irrtum. Für ihn steht fest: Erst durch die Narkose ist jener seidene Faden durchtrennt worden, an dem Isabelles Leben hing.
Starfotograf Toscani
Der Doppel-Tod seiner Allerliebsten hat den Toningenieur aus Marseille in einen nachdenklichen Mann verwandelt. Der inzwischen damit begonnen hat, mit all jenen abzurechnen, die seiner Tochter offenbar geschadet haben. Ganz besonders an den Pranger stellt er den italienischen Starfotografen Oliviero Toscani. Dieser hatte Isabelle Caro vor vier Jahren – damals ein schockierendes Häuflein aus Knochen, Haut und großen, leeren Augen, mehr Skelett als Mensch – nackt fotografiert und weltweit berühmt gemacht.
Schon in den neunziger Jahren hatte Toscani durch spektakuläre Benetton-Anzeigenfotos für Aufsehen gesorgt. Als skandalös ist die Pulloverwerbung mit dem Bild eines sterbenden Aidspatienten in Erinnerung geblieben. Das Bild mit der nackten, gerade einmal 30 Kilo wiegenden Isabelle Caro – Teil einer Kampagne gegen Magersucht – ging ebenfalls um die Welt. Isabelle Caro schrieb daraufhin den stark autobiografischen Roman „Das kleine Mädchen, das nicht wachsen wollte“.
„Das war skandalös“
Obwohl Toscani das Magermodel und ihren Kampf gegen die Magersucht schlagartig berühmt gemacht hat, stellt Christian Caro den Italiener als einen rücksichtslosen und kaltblütigen Geschäftemacher dar, der seine Tochter lediglich benutzt habe. Besonders übel nimmt er dem Italiener ein Interview, in dem er Isabelle Caro wenige Wochen vor ihrem Tod als „sehr egoistisch“ und letzten Endes als Opfer ihrer selbst charakterisierte. „Das war skandalös“, sagt Christian Caro.
Heute setzt er sich dafür ein, dass der Welt ein positives Bild seiner Tochter in Erinnerung bleibt. Das einer tapferen jungen Frau, die der schlimmen Krankheit trotzte und ihre Lebensfreude bewahrte. Entschieden widerspricht er deshalb den Pariser Ärzten, die behaupten, Isabelle Caro habe gar keine Lust mehr gehabt zu leben.