Ein junger Mann rast in München mit einem Auto in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi. Fast 40 Menschen – darunter Kinder – werden verletzt, teils schwer oder gar lebensgefährlich. Unmittelbar nach dem Vorfall holen Polizisten den Täter aus dem Fahrzeug. Was wissen wir über ihn?
Daran, dass der Mann am Steuer des schwarz-weißen Kleinwagens der Marke „Mini“ der Täter ist, besteht kein Zweifel. Polizisten waren am Donnerstag (13. Februar) unmittelbare Zeugen des Vorfalls. Wenig später erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), es handele sich um einen 24-jährigen abgelehnten Asylbewerber aus Afghanistan. Sein Name: Farhad N. Die Diskussion um die deutsche Asylpolitik wurde direkt weiter angeheizt. Doch am Abend kam zu einer überraschenden Kehrtwende.
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Anschlag in München: Polizei korrigiert Aussagen zu Täter
Der Verdi-Demonstrationszug war am Donnerstagmittag vorne und hinten von Einsatzfahrzeugen der Polizei begleitet worden. Wie der Münchener Polizeipräsident Thomas Hampel erklärte, sei der Täter mit dem Auto zunächst von hinten an das Polizei-Fahrzeug herangefahren, habe dieses dann überholt und sei von hinten in die Menschenmenge gerast. Dabei wurden 39 Menschen teils schwer verletzt, ein zweijähriges Kind schwebt in Lebensgefahr.
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Laut Innenminister Herrmann war der festgenommene Afghane für die Polizei kein Unbekannter. Zunächst hatte es vonseiten der Behörden geheißen, Farhad N. sei bereits wegen Ladendiebstahls sowie durch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aufgefallen. Vergehen, die Anlass zur Sorge vor einem Anschlag hätten geben können, seien nicht bekannt. „Nach gegenwärtigem Ermittlungsstand“, so Herrmann, „sei keinerlei Gewalttätigkeit erkennbar“ gewesen. Das war der Stand am Donnerstagnachmittag. Am Abend dann die Kehrtwende: Der Afghane sei keineswegs selbst ein Dieb, sondern er sei in Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstahls als Zeuge geführt worden – wegen seines Berufs als Ladendetektiv.
Innenminister Herrmann: Abgelehnter Asylbewerber „konnte nicht abgeschoben werden“
Und noch eine Kehrtwende, die für Verwirrung sorgte. Der 24-Jährige, so der Minister am Donnerstagnachmittag, sei als Asylbewerber nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag sei aber abgelehnt worden und er sei ausreisepflichtig gewesen. Allerdings habe man festgestellt, „dass er im Moment nicht abgeschoben werden kann und er deshalb sich weiter in unserem Land aufhalten durfte“. Am Abend dann die Klarstellung: Farhad N. hielt sich vollkommen legal in Deutschland auf. Der Afghane habe laut Polizei zum Tatzeitpunkt eine sogenannte „Duldung“ besessen – und auf deren Grundlage eine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis von der Stadt München.
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Aufgrund der anfänglichen Aussagen, die sich später als falsch herausstellten, wurden in der öffentlichen und politischen Diskussion direkt Parallelen zu früheren Gewalttaten gezogen. Am 22. Januar 2025 wurden in einem Park in Aschaffenburg ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann erstochen (>>> wir berichteten) . Tatverdächtig ist ein 28-jähriger afghanischer Staatsangehöriger. Er hätte längst ausreisen sollen, zu einer Abschiebung kam es nicht. Am 23. August 2024 wurden auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen bei einem Messer-Angriff getötet. Der Tatverdächtige, ein 26-jähriger Syrer, sollte schon 2023 abgeschoben werden. Der Versuch scheiterte.
Medienberichte: Über Italien 2016 nach Deutschland eingereist
Zum persönlichen Hintergrund des 24-jährigen Täters in München ist aktuell Folgendes bekannt. Wie „Focus Online“ berichtet, soll Farhad N. 2001 in Kabul (Afghanistan) geboren worden sein. Medienberichten zufolge reiste er über Italien, wo die erstmalige Asyl-Registrierung stattfand, im Jahr 2016 nach Deutschland. Da er als unbegleiteter Minderjähriger galt, kam es nicht zu einer Rückführung nach Italien. Nach Ablehnung des Asylantrags im Jahr 2017 soll der Afghane eine befristete „Duldung“ erhalten haben, die zum Tatzeitpunkt noch Gültigkeit besaß. Er war zuletzt in München gemeldet.
Anschlag in München: Anzeichen für islamistisches Motiv
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat Farhad N. in einer ersten Vernehmung gestanden, bewusst in den Demozug gefahren zu sein. Nach der Tat habe er im Beisein von Polizisten „Alluah Akbar“ gerufen und anschließend gebetet. Die zuständige Staatsanwältin sprach von einer religiösen Motivation für die Tat. Die Ermittlungen stünden zwar noch am Anfang. Dennoch sagte sie: „Ich würde mich trauen, von einem islamistischen Tatmotiv zu sprechen.“ Hinweise auf psychische Probleme, die zu der Tat geführt haben könnten, gebe es bislang nicht.
Einen weiteren Hinweis auf ein islamistisches Motiv liefert der Instagram-Account von Farhad N. Hier postete der 24-Jährige unter anderem den Satz: „Lösche alle aus, die schlecht zum Islam sind“ (>>> mehr zu den Hintergründen).
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Zwei weitere Anschläge waren an diesem Donnerstag Thema in Deutschland. Am Oberlandesgericht Stuttgart begann der Prozess gegen einen 26-jährigen Afghanen wegen der tödlichen Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz am 31. Mai 2024. Fünf Menschen wurden verletzt, ein Polizist getötet.
Unterdessen tagte im Landtag von Sachsen-Anhalt erstmals der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Am 20. Dezember 2024 war ein Mann (50) aus Saudi-Arabien mit einem Auto in eine Menschenmenge gerast. Sechs Menschen starben, mehr als 300 erlitten teils schwere Verletzungen. Der Täter war den Sicherheitsbehörden schon lange zuvor bekannt.