Er sollte eigentlich das ganze Leben noch vor sich haben. Doch dann riss das Erdbeben in Syrien die ganze Familie eines fünfjährigen Jungen in den Tod. Schwer verletzt kam das kleine Kind in ein Intensivkrankenhaus in Afrin im Norden Syriens. Zwei Ärzte aus Deutschland kämpften mit dem Personal vor Ort tagelang um sein Leben.
Dabei kamen Jalal Aouf und Hasan Oral vom „Deutsch-Orientalischen Ärzteforum“ an ihre Grenzen. Sie begleiteten den Jungen auf seinem langen Leidensweg und schlossen ihn in ihr Herz. Mit welchen Schwierigkeiten sie umgehen mussten und wie emotional die Reise für sie war, teilen die Ärzte nach ihrem Abschied von dem Fünfjährigen mit. Denn das Kind sollte am Ende nicht durchkommen.
Erdbeben in Syrien: Bei DIESEM Anblick zerreißt es Ärzten das Herz
In einem Raum lag er in einem Bett, Schläuche ragten aus seinem Körper. Dem Jungen mussten ein Bein und ein Arm teilweise amputiert werden. Immer wieder verfiel er in einen kritischen Zustand, musste zwischendurch beatmet werden. Die Ärzte taten ihr Bestes, doch die medizinische Versorgung vor Ort war einfach nicht ausreichend. „Während ein Kind intubiert wird, muss es eigentlich schlafen. Doch in dem Krankenhaus gab es nicht genug Sedierungs-Mittel. Deshalb war das Kind immer mal wieder wach. Zwischendurch hat er uns mit großen Augen angeguckt und dabei den Tubus im Mund gehabt – das war echt erschreckend und herzzerreißend“, schildert Jalal Aouf, Oberarzt im Luisenhospital in Aachen als Internist und Intensivmediziner, die dramatische Situation.
Letztlich zogen die beiden Ärzte die Reißleine und setzten sich dafür ein, dass der Junge in ein Kinderheilkunde-Krankenhaus kam. Allerdings war die Station 80 Kilometer weit entfernt und die Fahrt bis dahin dauerte zwei Stunden. „Aufgrund der katastrophalen Wege und Straßen war das eine absolute Tortur. Wir haben uns danach mehrmals übergeben, weil es andauernd hoch und runter ging. Für gewöhnlich fährt im Krankenwagen nur ein Pfleger mit und kein Notarzt“, erklärt der 37-Jährige weiter.
Doch in seinem kritischen Zustand, wollten sie den Jungen unbedingt begleiten. „Wir mussten ihn die kompletten zwei Stunden lang mit der Hand beamten. Zwei Mal mussten wir anhalten, doch er war weitestgehend stabil.“ Im Laufe der Behandlung fällten die beiden Väter von jeweils drei Kindern eine Entscheidung: „Wir waren uns einig, wenn das Kind einigermaßen überlebt, dann werden wir die gesamten Kosten für die Behandlung in Deutschland übernehmen. Er hatte keine Verwandten mehr, deshalb wollten wir ihn nach Deutschland holen und sogar adoptieren, weil er uns so ans Herz gewachsen ist“, verrät Hasan Oral, Oberarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie vom Rhein-Maas Klinikum Würselen.
Noch mehr Meldungen:
Junge (5) stirbt nach langem Kampf
Doch dazu sollte es nicht kommen, denn am Donnerstag (16. Februar) erreichte sie eine traurige Nachricht: „Wir haben leider mittags erfahren, dass das Kind es nicht geschafft hat. Das hat uns auch sehr mitgenommen.“ Am Ende führte wahrscheinlich ein Multiorganversagen zum Tod des Kindes. Auf die Frage, ob der Junge in Deutschland hätte überleben können, sind sich beide Ärzte sofort einig: „Mit Sicherheit. Die Überlebenschance wäre auf jeden Fall um ein Vielfaches höher gewesen“, so die erschütternde Einschätzung.
Doch der Fünfjährige ist nur ein trauriges Beispiel von vielen. Zahlreiche weitere Menschen, darunter auch viele Kinder, liegen seit dem Erdbeben in Syrien schwer verletzt im Krankenhaus. Zusammen mit vier weiteren Ärzten haben sich Jalal Aouf und Hasan Oral am 10. Februar auf den Weg in das Erdbebengebiet gemacht. Seit 2021 gibt es den ehrenamtlichen Verein „Deutsch-orientalisches Ärzteforum“. Seitdem leisten die Ärzte humanitäre Hilfe für Notbedürftige. In Syrien sowie auch in der Türkei sind die Erdbeben-Opfer auf Spenden angewiesen. Das „Deutsch-orientalische Ärzteforum“ will noch mehr Medikamente, Nahrung, Kleidung etc. bereitstellen. Dafür bitten sie auf ihrer Homepage um Hilfe.