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Flucht aus der Ukraine: Kinder bei Theater-Angriff verschüttet – „Habe nach Dasha geschrien“  

Es ging um Leben und Tod: Olena und ihre Kinder suchten während ihrer Flucht aus der Ukraine Schutz in dem Theater von Mariupol.

© privat

Die Geschichte von Olena und ihren Kindern

Olena und ihre drei Kinder sind Überlebende des Theater-Anschlags in Mariupol. Doch schon zuvor entkam die kleine Familie auf ihrer Flucht bei einem Bombenangriff in der Ukraine nur knapp dem Tod.

Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal. Zahlreiche Menschen sind seitdem geflüchtet – unter anderem nach Deutschland. Wir haben mit Geflüchteten gesprochen und wollen ihre Geschichten anlässlich des traurigen Jahrestages in einer Artikel-Serie erneut erzählen.

Der schreckliche Luftangriff auf das Theater von Mariupol am 16. März 2022 wurde zu einem der tragischen Symbole des Krieges in der Ukraine. Die genaue Opferzahl ist bis heute nicht genau bekannt. Medien berichteten von bis zu 600 Toten. Besonders erschütternd: Trotz der deutlichen Kennzeichnung, dass sich in den Räumlichkeiten Kinder befinden, bombardierte die russische Luftwaffe das Theater. Olena (damals 48) und ihre drei Kinder (damals 10, 12 und 28) überlebten den grausamen Bombenangriff. Sie fanden auf ihrer Flucht dort Unterschlupf. 

In Teil 3 unserer Reportage-Reihe über die kleine Familie berichten Olena und Tochter Dasha (12), wie sie den schrecklichen Angriff auf das Theater erlebten. Zuvor überstanden sie bereits einen anderen Bombenangriff (hier geht es zum Artikel). Bereits im ersten Teil der Interview-Reihe berichtete Olena von ihren ersten Gedanken nach Kriegsbeginn und wieso eine schnelle Flucht aus Mariupol für die kleine Familie unmöglich war (zu dem Artikel geht es hier).

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Im Theater von Mariupol sollte es eigentlich sicher sein

Nachdem sie einen Bombenangriff in einem Keller knapp überlebten, verschlug es Olena und ihre drei Kinder ins Theater von Mariupol. Es sprach sich in der Stadt herum: Dort soll es sicher sein. Immerhin stand vor dem Theater in großen Buchstaben „Kinder“ auf dem Boden geschrieben – auch aus der Luft gut sichtbar. Das sollte die russische Armee eigentlich davon abhalten, hier anzugreifen.  

Bereits wenige Stunden nach dem Bombenangriff auf den Keller ging es für Olena und ihre Kinder zu Fuß zum Theater. „Die Zeit war so zusammengepresst. Ich dachte es waren nur wenige Sekunden, bis wir am Theater ankamen. Der Fußweg war gefährlich. Es war so ein erschreckender Moment“, betont Olena. Am Theater angekommen, sahen sie eine große Menge Zivilisten am Eingang stehen. Der Drang, einen sicheren Platz zu ergattern, war riesig.  


Mehr aus unserer Reportage-Reihe: Flucht aus der Ukraine: Familie in Kriegs-Albtraum gefangen – „Schnee geschmolzen, um zu überleben“


Plötzlich verstummte das Kinderlachen

Im Theater gab es keine Betten. „Alles, was es im Theater gab, also Sessel oder Kisten, konnten wir nutzen, um uns irgendwie hinzusetzen. Wir durften die Sitze aus dem Theater selbst abbauen und in den Keller bringen. Holz haben wir zum Heizen genutzt. Die Frauen mit ganz kleinen Säuglingen durften in die Garderobe. Da waren nicht so viele Menschen drin“, erklärt Olena. Ansonsten sei es im Theater sehr laut und sehr voll gewesen. Trotz der Masse an schutzsuchenden Menschen gab es für fast alle Geflüchteten regelmäßig ein Mittagessen. Für die Kinder gab es zudem Kekse.  

Fünf Tage nach ihrer Ankunft kam es dann zum schrecklichen Angriff: Am 16. März 2022 traf eine Bombe das Theater. Aus dem Nichts. Olenas Tochter Dasha war zu diesem Zeitpunkt im Bereich der Eingangshalle. Hier spielten die Kinder oft miteinander. Doch plötzlich verstummte das Kinderlachen. „Es hat auf einmal ‚Boom‘ gemacht“, sagt Olena.  

Am 24. Februar 2024 jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal. Zahlreiche Menschen sind seit Kriegsbeginn nach Deutschland geflüchtet. Mit mehreren von ihnen haben wir vor einiger Zeit gesprochen. Anlässlich des traurigen Jahrestages erzählen wir ihre Geschichten.
Dasha (r.) und ihr Bruder Nikita überlebten den Bombenangriff auf das Theater von Mariupol. Foto: privat

Alles voller Staub

Sie beschreibt den Moment des Bombeneinschlags „wie in dem Film Matrix“. Sie wurden von einer Druckwelle weggeschlagen. „Das war ganz schnell und ganz langsam. Wir sind mit den Deko-Elementen und mit den anderen Menschen durch die Luft geflogen. Das war wie eine parallele Welt. Es war ein Gefühl von Fliegen“, versucht Olena den Moment des Bombeneinschlags irgendwie in Worte zu fassen. Es fällt ihr schwer. 

Wo sich ihr älterer Sohn (damals 28) zu dem Zeitpunkt aufhielt, wusste Olena nicht. Dasha (damals 12) und ihr jüngerer Sohn (damals 10) waren im Erdgeschoss am Spielen. Plötzlich alles dunkel, überall Staub. Der Geruch von Staub bohrte sich in ihre Nasen. 

Die verzweifelte Suche nach Dasha

Ihr damals 10-jähriger Sohn Nikita rappelte sich von selbst auf. Er landete auf seinen Händen und mit dem Gesicht nach unten. Verletzt war er zum Glück nicht. „Ich bin aufgestanden und habe nach Dasha geschrien“, berichtet Olena von den dramatischen Momenten nach dem Bombenangriff. Gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn suchten sie verzweifelt nach ihrer Tochter. „Alle Türen vom Theater waren komplett zerstört. Es war alles durcheinander, Chaos. Vor lauter Staub konnten wir nichts sehen.“ 


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Doch nach mehrmaligem Rufen die Erleichterung: Dasha lebte! „Wir konnten kaum was sehen. Aber wir haben Dasha gehört“, berichtet Olena. Heute kann sich Dasha an nichts mehr erinnern, wie sie selbst sagt. Das Mädchen war komplett verschüttet, musste ausgegraben werden. Schlimmeres konnte vermutlich verhindert werden, weil sie unter einem Geländer stand, welches sie schützte. „Ich habe dann über das Geländer nach unten geschaut. Da waren nur Steine und Staub. Da lag eine Frau, die hat man zur Hälfte gesehen. Sie war verschüttet, sie war am Leben, aber sie war zur Hälfte von Steinen bedeckt.“ Dasha konnte befreit werden. Sie wurde von ihrem älteren Bruder weggetragen. Sie hatte eine stark blutende Kopfverletzung.  

Wie es dann für Dasha weiterging und wieso sie – trotz Lebensgefahr – lange auf medizinische Hilfe warten musste, erfährst du am Sonntag (25. Februar) in Teil 4. Folge uns auf Facebook oder Instagram, um keinen Teil zu verpassen.