Olena (damals 46) und ihre drei Kinder (damals 10, 12 und 28) sind Überlebende des Theater-Anschlags in Mariupol, bei dem etliche schutzsuchende Zivilisten starben. Doch schon zuvor entkam die kleine Familie auf ihrer Flucht bei einem Bombenangriff in der Ukraine nur knapp dem Tod. Sie suchten Schutz in einem Keller. Das wurde ihnen fast zum Verhängnis.
Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal. Zahlreiche Menschen sind seitdem geflüchtet – unter anderem nach Deutschland. Wir haben mit Geflüchteten gesprochen und wollen ihre Geschichten anlässlich des traurigen Jahrestages in einer Artikel-Serie erneut erzählen.
Im zweiten Teil ihrer Geschichte schildert Olena, wie sie und ihre Kinder einige Wochen nach Kriegsbeginn ihr Haus verließen, um die Flucht zu Olenas Eltern anzutreten. Dort lebten sie mit vielen anderen Menschen zusammen in einem engen Keller. Bis es dort zu einem heftigen Bombenangriff kam. Bereits in Teil 1 der Reportage-Reihe berichtete Olena davon, wie sie vom Angriff der Russen auf ihr Heimatland erfuhr, und wieso eine schnelle Flucht aus Mariupol für die kleine Familie unmöglich war (hier geht es zum Artikel).
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Tiere machten den Kindern in der hoffnungslosen Zeit Mut
Nachdem für Olena klar war, dass das Leben in ihrem eigenen Haus an der Stadtgrenze von Mariupol zu gefährlich ist, zog sie mit ihren Kindern für einige Wochen zu ihren Eltern. Diese lebten in der Stadtmitte von Mariupol. Dort schien es zunächst weniger gefährlich zu sein. Zusammen mit vielen anderen schutzsuchenden Zivilisten versteckten sich Olena und ihre Familie in einem Keller.
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„Da waren ganz viele Menschen. Sie waren in engen Fluren und es waren Zimmer im Keller. Es gab nicht viele Häuser, die einen Keller hatten. Es kamen immer mehr Menschen in diesen Keller. Er ist sehr tief unter der Erde und alle dachten, das sei ein sicherer Ort. Dort gab es auch ganz viele Tiere, Hunde zum Beispiel. Sie haben den Kindern Mut gemacht. Die Kinder haben mit ihnen gespielt“, erinnert sich Olena zurück.
„Bitte helfen Sie mir, bitte. Ich sterbe“
In dem engen Keller unterstützten sich alle gegenseitig. Die Todesangst schweißte sie zusammen. Am 11. März 2022 wurden dann die schlimmsten Befürchtungen wahr: In einem Raum des Kellers schlug plötzlich eine Bombe ein! Olena und ihre Kinder waren zu diesem Zeitpunkt im Flur des Kellers. „Es gab ganz viele Kinder, Frauen und Tiere in diesem Zimmer. Als das passierte, war komplette Stille, keiner hat geschrien“, berichtet Olena.
Die Bombe schlug um 7 Uhr morgens ein. Es war frühmorgens, die Bewohner des Kellers hatten geschlafen. Olena kann sich nicht daran erinnern, ob viele Menschen geschrien haben. „Nur neben mir war eine Frau. Die war mit Steinen verschüttet. Sie hat geschrien: ‚Bitte helfen Sie mir, bitte. Ich sterbe.‘ Das ist das Einzige, was ich gehört habe. Ansonsten nix, auch nicht in den anderen Zimmern. Vielleicht waren sie alle tot.“
Olena und ihre Kinder machen sich auf den Weg zum Theater
In dem Trümmerhaufen im Keller gab es keine Luft, es war dunkel. Dann kam das ukrainische Militär zum Unglücksort herbeigeeilt. „Wir haben die Soldaten darum gebeten, dass sie den Flur aufräumen, dass sie irgendwie versuchen, reinzukommen. Aber sie glaubten nicht, dass sie noch jemanden retten können. Sie hatten versucht reinzukommen. Bis heute weiß niemand, wie viele Personen in dem Haus waren.“
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Zu Beginn führten die Bewohner eine Liste und schrieben auf, wie viele Menschen in dem Haus und Keller inzwischen wohnten. Ab einem gewissen Zeitpunkt war das nicht mehr möglich. Zu viele Menschen hatten dort mittlerweile Schutz gesucht. Nach diesem Angriff mussten Olena und ihre Kinder den Ort verlassen. Der Keller war zerstört, hier gab es keine Möglichkeit mehr unterzukommen. Das Theater in Mariupol sollte ein sicherer Ort sein. Also begaben sie sich auf den Weg dorthin.
Wie Olena und ihre Kinder dann den Anschlag in dem Theater von Mariupol erlebten, liest du am Freitag (23. Februar) im dritten Teil der Reportage-Reihe. Folge uns auf Facebook oder Instagram, um keinen Teil zu verpassen.